Alf Mayer hat auf culturmag.de einen sehr lesens- und empfehlenswerten Artikel über den britischen Autor Simon Kernick und über gute/schlechte Thriller geschrieben. Mayer ist von Kernicks neuestem Werk “Das Ultimatum” nicht ganz überzeugt. Aber er schreibt: “Was mich mit ‘Ultimatum’ dann aber doch versöhnte, ist das Postscriptum des Autors, in dem er recht ausführlich über die Entstehung des Buches erzählt – und damit dem normalen Leser Auskunft über die Bauweise solcher Wälzer gibt. (…) Während des Schreibens, so Kernick in seiner Selbstauskunft, habe er den Plot ständig modifiziert und auch Todesurteile gegen einige seiner Figuren wieder aufgehoben, ‘was zu den Dingen gehört, die beim Romanschreiben besonders Spaß machen’.”
Ich möchte mich hier vor allem einem Stilmittel widmen, dessen sich Kernick durchgehend in seinen Spannungsbüchern bedient: dem des ersten Satzes. Denn Kernick ist ein Meister darin, mit einem Schlag in die Geschichte zu starten. Da gibt es von der ersten Seite an kein Verschnaufen. Auch “Das Ultimatum” bildet keine Ausnahme: “Sie töteten sie sofort, als sie die Haustüre öffnete”. Kein Vorgeplänkel, kein Herumgelaber. Bei Kernick weiß man woran man ist. Er führt den Leser nicht langsam in seine Welt ein, er katapultiert sie dorthin. Seine Fans mögen Kernick genau deswegen, denn er schreibt lupenreine Thriller.
Hier nur ein Auszug von ein paar typischen Kernick-Erstsätzen:
“Richard Blacklip wollte jemanden töten.” (Fürchtet mich)
“Ein schwarz gekleideter Mann kam in das unaufgeräumte kleine Büro – die eine behandschuhte Hand hielt einen Aktenkoffer, die andere eine tödlich aussehende Pistole -, und Nick Penny begriff, dass er während seiner Karriere als Journalist, der gewissen Leuten auf die Zehen tritt, offenbar ein paar Füße zu viel erwischt hatte.” (Erlöst mich)
“Kaum öffne ich die Augen, weiß ich, es wird ein Scheißtag. Stickige Hitze liegt im Zimmer, mein Kopf fühlt sich an, als würde ein Zwerg darauf herumtanzen, und dann das Blut … das Blut ist überall. (Todesangst)
Mehr als drei Sätze – wie bei “Instinkt” – braucht er selten: “Ein leerer Rohbau tief im Herzen der City. Es ist früh, die ersten Sonnenstrahlen dringen durch die Fensterlöcher in den Wänden. Ich sitze in dem höhlenartige Gewölbe und sehe zu, wie mein Blut auf den staubigen Zementboden tropft.”
So genial ich seine Einstiege finde und auch das Können, Spannung aufzubauen und über 400, 500 Seiten zu halten. Am Ende habe ich dann halt doch oft dieses typische Thriller-Gefühl: Wow, super – aber was war eigentlich? Man bleibt mit einer gewissen Leere zurück. Aber manchmal will man ja auch einfach nur gut unterhalten werden und einfach alles rund um sich vergessen. Eskapismus pur. Und schreiben muss man das erst einmal können. Wer das nicht glaubt, soll es mal selbst versuchen…