Die beiden südafrikanischen Krimiautoren Andrew Brown und Mike Nicol waren vergangene Woche in Wien. Über Andrew Browns Auftritt habe ich hier zuletzt geschrieben. In diesem Beitrag will ich mich Mike Nicol widmen. Gleich zu Beginn erzählte Nicol, dass ihn ein Rezensent einst, als er beschloss Kriminalliteratur zu schreiben (er war in Südafrika bis dahin ein angesehener Literat), aufgrund seiner “widerwärtigen Sprache” als “literarischen Antichristen” bezeichnete. Nicol nahm daraufhin entsprechend Rache und ließ ihn in einem seiner Bücher ein wenig erfreuliches Schicksal zu teil werden.
Dann holte Nicol aus und erzählte über Literatur während der Apartheid. Es sei damals nicht möglich gewesen, kommerzielle Thriller zu schreiben. Es habe nur zwei Krimiautoren gegeben – James McClure und Wessel Ebersohn. “The police was regarded as an invading army”, so Nicol. Verleger hätten auch lange nicht gewusst, was sie mit dieser Art von Literatur tun sollten, z.B. wie sie sie vermarkten sollten. Deon Meyer sei der Vorreiter gewesen. Er habe in Afrikaans geschrieben und sei dann ins Englische übersetzt worden. Aber auch die Leser hatten Probleme mit Kriminalliteratur: Sie hatten in ihrem tagtäglichen Leben genug mit Gewalt zu tun, sie begannen nur widerwillig Krimis zu lesen. Wie sollte man den Lesern zeigen, dass das auch unterhaltsam sein konnte?
“It’s actually about making money”
Verändert habe sich das im Jahr 2006. Damals gewann Andrew Brown mit seinem Buch einen literarischen Preis. Das half der südafrikanische Kriminalliteratur wahrgenommen zu werden. Mitllerweile würden 12-15 Kriminalromane jedes Jahr erscheinen, was für ein kleines Land wie Südafrika schon beachtlich sei.
Nicol gab auch zu, seine Rache-Trilogie (“payback”, “killer country”, “black heart”) vor allem aus zwei Gründen geschrieben zu haben. So konnte er einerseits die Charaktere weiterverwenden und andererseits darauf hoffen, dass all jene Leser, denen das erste Buch gefallen hatte, auch ein zweites und drittes kaufen würden. “It’s actually about making money”, so Nicol. Die Trilogie bedeutet zudem noch nicht ganz das Ende. Es gebe noch Christa, die Tochter einer der Hauptfiguren, um die Nicol weitere Geschichten spinnen will. “She ist much better, she is sexier, she is younger, she kicks asses”, meinte Nicol schmunzelnd.
Später sprach Nicol über den Unterschied zwischen Literatur und Kriminalliteratur. Wo Literatur es erlaube 1000 Wörter zu verwenden, habe man im Kriminalroman rund 30 Wörter, um den gleichen Job zu tun. Jedes Wort müsse da sitzen, man müsse alles schneller tun, der Plot sei wichtig. “This attracted me to the genre, that you have to do everything very fast”, so Nicol.
Kriminalliteratur als Demokratie-Indikator
So richtig interessant wurde es kurz darauf. Warum gibt es sowohl bei Brown und Nicol wichtige Figuren mit dem Monatsnamen als Nachnamen – z.B. “February” (also Februar)? Dazu gebe es zwei Theorien, erklärte Nicol. Theorie eins besagt, dass als vor Jahrhunderten die Sklaven nach Kapstadt gebracht wurden, diese bei Auktionen verkauft wurden. Demnach erhielten Sklaven, die im Februar versteigert wurden, diesen Namen. Theorie zwei zufolge erhielten die Sklaven den Namen im Monat ihrer Befreiung. Die Historiker seien sich nicht sicher, was nun stimme. Es gebe auch einen sehr bekannten Monatssong (“January, February, March, April…”) in Südafrika, der wohl ein sei früher Sklavensong sei.
Die Abschlussfrage der Moderatorin brachte ebenfalls interessante Antworten. Der südafrikanische Krimiautor Roger Smith habe gesagt, dass der Kriminalroman das einzige Genre sei um das moderne Südafrika zu beschreiben. “Do you agree?” Brown antwortete als Erster. Nein, er stimme dem überhaupt nicht zu. In instabilen, undemokratischen Ländern wie dem Irak würde es keine Kriminalliteratur und auch keine entsprechenden Leser geben. In Schweden hingegen gebe es mehr Kriminalliteratur als Verbrechen. Darum halte er Smiths Ansicht für “completely wrong”. Es gebe Kriminalromane in Südafrika, weil es mehr Stabilität und mehr Spaß gebe. Nicol meinte dazu, dass es Smith geschafft habe, sich als der “Bad Guy” der südafrikanischen Krimiszene zu etablieren. Das sei natürlich ein gutes Image, aber es gebe mittlerweile viel unterschiedliche Literatur in Südafrika – abseits des Krimis. Nicol sprach in diesem Zusammenhang von der “Normalisierung der südafrikanischen Gesellschaft”.