
Es ist ein grausiger Fund, den ein Farmermädchen im kleinen Ort Ilmarsh macht: Sechzehn Pferdeköpfe, kreisförmig eingegraben im Ackerboden. Der lokale Polizist Alec ist einer der ersten, der zum Tatort gerufen wird. “Alec zählte sechzehn Köpfe, auf der Seite liegend und fast vollständig eingegraben. Nur ein Auge lag frei, und bei einem Kopf konnte man ein Stück des Halses erkennen.”
Warum ausgerechnet sechzehn Pferde, die noch dazu von unterschiedlichen Besitzern stammen? Warum diese Anordnung der Köpfe? Um die Tat zu klären, wird die Veterinärforensikerin Cooper Allen gerufen. Die Expertin hat schon viel gesehen, wenn es darum geht, wie grausam Menschen mit Tieren umgehen. Alec, der erst vor vier Jahren in das scheinbar idyllische Örtchen gezogen ist, hat ebenso wie seine Ermittler-Kollegin mit seinen eigenen Geistern der Vergangenheit zu kämpfen. Alec ist nicht angekommen in Ilmarsh, nicht Teil der Gesellschaft und auf der Suche nach Bedeutung. Seine Persönlichkeit scheint sich aufzulösen.
Wie passend, dass nahezu jede Person in Ilmarsh, mit der das Duo konfrontiert wird, eigene Geheimnisse zu hüten scheint. “Jeder, der uns helfen könnte, ist tot oder lügt oder hat sich aus dem Staub gemacht”, sagt Allen einmal. Greg Buchanan hat mit seinem Debüt “Sechzehn Pferde” aber nur vordergründig einen Kriminalroman geschrieben. Ihm geht es um ganz etwas anderes als um die Lösung des Falls, der zunehmend in den Hintergrund gerät. Der Autor versucht in die Seelen seiner Figuren zu blicken. Der Leser wird dabei aber vor allem Leere vorfinden. Abgestumpft vom Leben, vegetieren die Menschen dahin, teilweise wie Geister – genau so wie der dahinsiechende Ort selbst, dem das Schicksal einer Geisterstadt droht. Es ist, als würden sich die Menschen verflüchtigen, ehe es auch der Ort tut.
Die Geschichte löst sich im Nichts auf
Buchanan hat ein gutes Auge für Details, ihm gelingen viele kleine wahrhaftige Momente. Aber umso mehr er das Rätsel der Pferdeköpfe aus dem Blick verliert, umso stärker schwindet auch das Interesse an dieser Geschichte. Schwer einordenbare Dialogteile und nicht immer nachvollziehbare Sprünge in der Perspektive bremsen das Lesevergnügen ebenso wie verweigerte Erklärungen und ins Nichts führende Erzählstränge.
Grundsätzlich ging es mir bei der Lektüre ähnlich wie Marius in seinem Blog Buch-Haltung schreibt: “Ich muss gestehen, dass ich mit den Sechzehn Pferden nicht wirklich warm wurde, auch wenn ich die erzählerischen Ansätze und die Weiterentwicklung eines konventionellen Krimis hier durchaus goutieren. Im Ganzen waren es mir dann aber doch einfach zu viele Brüche, Fragen und skizzenhafte Erzählelemente, die unaufgelöst blieben und keinen tieferen Sinn ergaben.”
Wie auch Marius kam mir Jon McGregors “Speicher 13” in den Sinn, das einen noch entschleunigteren Zugang hatte. Buchanan hat jedenfalls ein vielschichtiges Porträt eines im Sterben befindlichen Dorfes und seiner Bewohner geschrieben. Nach der vielversprechenden ersten Hälfte des Buches schwindet aber eben zunehmend das Interesse am Schicksal der beschriebenen Menschen. Fast gleichgültig nimmt man das Ende hin.
Aber vielleicht ist das ja die eigentliche düstere Botschaft des Autors: Wir alle verschwinden irgendwann, und nichts wird von uns bleiben.
7 von 10 Punkten
Greg Buchanan: “Sechzehn Pferde”, übersetzt von Henning Ahrens, S. Fischer-Verlag, 443 Seiten.