Monthly Archives: August 2016

Lee Child: Die Gejagten

(c) Blanvalet

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Lee Childs Jack-Reacher-Romane sind die perfekte Lektüre für den Sommerurlaub. Sie lassen sich hervorragend verschlingen. Jack-Reacher-Bücher sind zwar grundsätzlich nicht besonders anspruchsvoll, aber einfach die perfekte kurzweilige Unterhaltung.

Jeder, der Reacher kennt, liebt ihn – oder hasst ihn. Zweifellos ist der von Autor Lee Child erfundene Einzelkämpfer Jack Reacher eine der Kultfiguren des Thrillergenres. “Die Gejagten” ist bereits das 18. Abenteuer des schweigsamen und schlagkräftigen ehemaligen Militärpolizisten, der überall dort für Gerechtigkeit sorgt, wo es sonst niemand tun würde.

Irgendwie ist diesmal der Funke bei mir allerdings nicht so ganz übergesprungen. Vor allem mit “No Way Out” hat mich Reacher zu seinem Fan gemacht, auch “Der Anhalter” fand ich – bis auf den übertriebenen Showdown – gut gelungen. Dagegen ist dieses Buch ein wenig uninspiriert. Aber dennoch hat es mir Spaß gemacht.

Das aktuelle Buch ist also nicht das beste der Serie, dennoch würde ich es jedem empfehlen, der erwägt stattdessen auf den im Herbst anlaufenden Hollywoodfilm (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) zu warten. Denn bereits der erste Reacher-Film hat gezeigt, dass Cruise als Reacher eine glatte Fehlbesetzung ist. Cruise passt perfekt in die Mission-Impossible-Filme, diese Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert, von Reacher hätte er jedoch die Finger lassen sollen. Schon allein der Unterschied bei der Körpergröße ist frappierend. Aber wenn es nur das allein wäre. Cruise funktioniert als Reacher einfach nicht.

Empfehlen will ich hier auch den Kommentar von Tobias Gohlis, einem ausgewiesenen Child-Fan, der sich in seinem Blog “Recoil” die interessante Frage stellt: “Was macht man aber als Autoren-Fan, wenn der Verehrte schwächelt?” Sehr lesenswert ist zudem der Meinungsaustausch mit Alf Mayer unten bei den Postings.

6 von 10 Punkten

Lee Child: “Die Gejagten”, übersetzt von Wulf Bergner, Blanvalet-Verlag, 448 Seiten, 20,60 Euro.

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Lawrence Block: Die Sünden der Väter

(c) Eigenverlag

(c) Eigenverlag

Der 77-jährige US-Amerikaner Lawrence Block ist ein ausgesprochener Vielschreiber, der gleichzeitig zu den am häufigsten ausgezeichneten Autoren des Krimigenres zählt. Vier Mal konnte er den begehrten Edgar Allan Poe Award gewinnen, zudem wurde er wiederholt für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Dennoch wird er seit Jahren von deutschsprachigen Verlagen ignoriert.

Nur Heyne brachte 2014 anlässlich der Verfilmung von “Ruhet in Frieden – A Walk among the Tombstones” den zehnten Band seiner Reihe rund um Detektiv Matthew Scudder noch einmal heraus – offenbar ohne ein einziges Mal einen Blick in das Buch zu werfen. Ich habe selten einen Krimi mit derart vielen Druckfehlern gelesen.

Nun liegt mit dem im Original erstmals 1976 erschienenen “Die Sünden der Väter” Band eins der Scudder-Reihe endlich wieder vor. Aber nicht, weil sich ein Verlag gefunden hätte, sondern weil sich der Autor mit dem Übersetzer Stefan Mommertz zusammengetan hat und das Buch nun selbst als E-Book und Paperback herausbringt.

Denn was tut ein Krimiautor, wenn er nicht mehr übersetzt wird? Er bringt sein Buch einfach selbst heraus. Und das ist gut so, denn dieser Matthew Scudder würde der Literaturwelt fehlen. Scudder ist Ex-Cop und Alkoholiker, der aber einen nüchternen Blick auf die Welt behalten hat. Sein moralischer Kompass funktioniert bestens und ist wichtiger als das Geld von Auftraggebern. Deshalb muss man diesen außergewöhnlichen Kerl einfach lieben. Sehr lesenswert ist übrigens auch das Vorwort von Stephen King, in dem dieser erklärt, warum Katzen und Privatdetektive nicht zusammenpassen.

Geplant ist, die 17 Bände umfassende Scudder-Reihe erstmals vollständig auf Deutsch herauszubringen. Block sind bei diesem außergewöhnlichen Akt der literarischen Selbstverteidigung viele Leser zu wünschen.

9 von 10 Punkten

Lawrence Block: “Die Sünden der Väter”. Übersetzt von Stefan Mommertz. Eigenverlag, 193 Seiten, 10,99 Euro.

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KrimiZeit-Bestenliste August: Ein Abgleich

(c) rororo

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Drei von zehn Büchern der aktuellen KrimiZeit-Liste habe ich gelesen. Vor Kurzem habe ich “Die Mauer” von Max Annas und “Hades” von Candice Fox besprochen. Zuletzt war Olen Steinhauers “Der Anruf” an der Reihe. “Die Mauer” fand ich flott zu lesen, ein echter Thriller – aber auf Platz eins der KrimiZeit würde ich das Buch nicht unbedingt sehen. “Hades” hat mich eher entsetzt und auch “Der Anruf” hat mich nicht wirklich überzeugt.

Von den anderen Büchern der Liste reizt mich Denise Minas “Die tote Stunde” sehr, mir hat voriges Jahr ihr Krimi “Das Vergessen” gut gefallen – sie hat eine ganz eigene Stimme, bewegt sich sehr geschickt innerhalb der Genregrenzen und lässt sich nicht einfach in irgendeine Schachtel packen. Auch Patricia Melos “Trügerisches Licht” ist sicher eine Lektüre wert, “Leichendieb” war einer der faszinierendsten Krimis des Jahres 2013. Sehr gespannt bin ich aber vor allem auf Donald Ray Pollocks “Die himmlische Tafel” – das klingt so wunderbar nach einem klassischen, altmodischen US-Krimi im besten Sinne. Zuletzt habe ich von ihm das ebenfalls 2013 erschienene “Knockemstiff” gelesen, eine außergewöhnliche, aber bis zur Unerträglichkeit realistische Lektüre.

Die Liste im Überblick:

1 (1) Max Annas: Die Mauer
2 (6) Denise Mina: Die tote Stunde
3 (9) James Grady: Die letzten Tage des Condor
4 (2) Mike Nicol: Power Play
5 (7) Candice Fox: Hades
6 (-) Jesper Stein: Bedrängnis
7 (-) Patricia Melo: Trügerisches Licht
8 (5) Olen Steinhauer: Der Anruf
9 (10) Ian Rankin: Gesetz des Sterbens
10 (-) Donald Ray Pollock: Die himmlische Tafel

 

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Olen Steinhauer: Der Anruf

(c) Blessing

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Mit “Kairo-Affäre” konnte sich US-Autor Olen Steinhauer mehrere Monate in der KrimiZeit-Bestenliste halten. Das ist ihm mit seinem neuen Spionagethriller “Der Anruf” auch gelungen. Bloß kann ich dem konkreten Fall die zahlreichen Lobeshymen nicht ganz nachvollziehen. Verliebt in die reizvolle Idee, einen kammerspielartigen Spionageroman zu schreiben, der nur an einem Tisch spielt, hat Steinhauer meiner Meinung nach ein wenig vergessen, diese an sich feine Idee mit zusätzlichem Fleisch zu versehen.

Überhaupt hatte ich das Gefühl, den amerikanischen Agenten ist ihr eigenes Wohlergehen wichtiger als das der 120 Geiseln, die in einem Flugzeug am Wiener Flughafen festgehalten werden. Glaubt man dem Autor, gehen Spione lieber essen als die Welt zu retten. Das fand ich ein wenig verwunderlich und befremdlich. Würde man nicht eher seinen McDonalds-Burger oder Subway-Sandwich in sich hineinschlingen, weil man sich selbst in einer Ausnahmesituation befindet? Aber dann lieber fein essen gehen? Ich fand das nicht ganz glaubwürdig.

Auch die Szenerie im Restaurant, um die sich alles in diesem Buch dreht, konnte mich nicht richtig überzeugen. Der erfahrene Agent tappt letztlich wie ein naiver Lehrling in die gestellte Falle. Und irgendwie war mir das viel zu schnell klar.

Das Buch ist auf alle Fälle unterhaltsam, mich hat vor allem der Schauplatz Wien gefreut. Man muss dem Autor hier auch zugute halten, dass er, was Lokalitäten und Parteienlandschaft betrifft, gut recherchiert hat. Dennoch konnte mich Steinhauer diesmal nicht so wirklich überzeugen.

Aber ich dürfte mit dieser Meinung eher alleine stehen. Es gibt Lobeshymnen, wohin man sieht: Ob in der “Süddeutschen”, bei “Freitag” oder bei “Spiegel”.

5 von 10 Punkten

Olen Steinhauer: “Der Anruf”, übersetzt von Friedrich Mader, Blessing Verlag, 272 Seiten.

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Ken Bruen: Füchsin

(c) Polar Verlag

(c) Polar Verlag

Mit “Kaliber ist es Ken Bruen gelungen, mich von der ersten Seite Weg auf seine Seite zu ziehen. Diese abgefahrene Hommage an Jim Thompsons Krimiklassiker “Der Mörder in mir” war so komplett anders als alles, was auf dem Markt mit dem Label Krimi versehen wird. Anarchisch, bitterböse, schwarzhumorig, skurril und einfach nur genial. “Füchsin” ist da sehr ähnlich gestrickt, bloß fällt diesmal dieser absolute Whow-Moment des Neuen weg. Dennoch macht Bruen auch diesmal wieder auf knapp 200 Seiten immens Spaß.

Die Polizei, dein Freund und Helfer? Mit seinen Büchern um Detective Sergeant Tom Brant und Chief Inspector James Roberts zertrümmert der irische Autor dieses Weltbild genüsslich Stück für Stück. Strahlende Ritter in Uniform sucht man vergebens. Das Prinzip von Recht und Ordnung sowie das Ideal einer kompetenten, rechtschaffenen Polizeibehörde sind Bruen fremd. Seine Polizisten sind frauen-, fremden- und schwulenfeindlich, denken vordergründig egoistisch und sind alles andere als Vorbilder. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Polizisten sind auch nur Schurken, bloß in Uniform.

Bruen stellt somit die Antithese zu den Romanen des Erfinders des gepflegten Polizeiromans, des Amerikaners Ed McBain, dar. Dieser schrieb von den 1950er-Jahren bis zu seinem Tod 2005 über fünfzig Kriminalromane über das 87. Polizeirevier in New York.

Das Beeindruckendste: Der Autor scheint sein Genre in- und auswendig zu kennen. Das drückt sich auch in einem intensiven Spiel mit Zitaten aus. Dabei sind diese nicht bloß Aufputz. Er verwebt sie in seine Handlungen, stellt sie wie Wegweiser seinen Kapiteln voran. “Warum erwartest du von deiner Polizei, dass sie weniger verrückt sei als du?”, zitiert er in “Füchsin” den US-Kriminalschriftsteller Jerome Charyn, der damit Bruens Werk eigentlich perfekt zusammenfasst.

Was noch interessant ist: “Kaliber” war der sechste Teil der im Original siebenteiligen Serie rund um die wenig vertrauenerweckende Southeast London Police Squad. Nun gibt es mit „Füchsin“ den fünften Teil, und es bleibt zu hoffen, dass die Serie im Polar-Verlag vollständig auf Deutsch erscheinen wird (Der vierte Teil, „Blitz“, kam mit Action-Star Jason Statham in der Hauptrolle sogar zu Kinoehren).

7 von 10 Punkten

Ken Bruen: “Füchsin”, übersetzt von Karen Witthuhn, 179 Seiten, Polar Verlag.

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