Monthly Archives: August 2015

Krimis, die man 2015 lesen sollte (VIII)

(c) Suhrkamp

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Der deutsche Krimiautor Friedrich Ani hat eine neue Figur erschaffen: Ermittler Jakob Franck. Verdammt, und ich habe es immer noch nicht geschafft, einen seiner Tabor-Süden-Krimis zu lesen. Darum wird der September definitiv Ani-Zeit. Daran führt kein Weg vorbei! Im Idealfall schaffe ich neben “Der namenlose Tag” (seit 8. August erhältlich) dann auch endlich meinen ersten Süden-Roman…

Der Verlag: Mit diesem Roman startet eine Reihe um Ex-Kommissar Jakob Franck. Friedrich Ani und seine Kunst der Konstruktion gewöhnlich-außergewöhnlicher Kriminalistikrätsel; Friedrich Ani und seine Sprache, die vom Tod auf das Leben melancholisch gelöste Perspektiven wirft – Friedrich Ani und seine Kunst erreichen in seinem neuen Roman unvorhersehbare Dimensionen.

(c) Knaur

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Howard Linskey konnte mich bereits mit “Crime Machine” und “Gangland” überzeugen. “Killer Instinct” (seit 3. August im Handel) ist nun der Abschluss seiner Newcastle-Trilogie. Ein weiterer Pflichtermin.

David Blake leitet die Geschicke des organisierten Verbrechens im nordenglischen Newcastle, und er weiß genau, dass er diesen Job nicht kündigen kann. Denn aufhören kann man nur als Toter. Und langsam wird es eng für David. Die Polizei sitzt ihm im Nacken, russische und serbische Syndikate, die vor keiner Brutalität zurückschrecken, machen ihm sein Territorium streitig. Es geht ums Ganze – und vor allem ums Überleben …

(c) btb

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Der Österreicher Bernhard Aichner hat 2014 mit “Totenfrau” einen wirklich starken Thriller vorgelegt, der sich offenbar auch prima verkauft hat. Mit der Bestatterin Brünhilde Blum hat er eine unvergessliche (Anti-)Heldin erschaffen. Nun ist die Fortsetzung “Totenhaus” (17. August) erschienen, ein dritter und letzter Teil soll dann voraussichtlich 2017 erscheinen. Auch hier führt kein Weg vorbei.

Bei einer Exhumierung auf einem Innsbrucker Friedhof werden in einem Sarg zwei Köpfe und vier Beine gefunden. Schnell wird klar, dass es sich um ein Verbrechen handeln muss, dass hier die Leichenteile eines vor einem Jahr spurlos verschwundenen Schauspielers liegen. Nur eine Person kommt als Täterin in Frage: die Bestatterin, die die Verstorbene damals versorgt und eingebettet hat. Es gibt keinen Zweifel daran, dass Brünhilde Blum den Schauspieler getötet hat. Doch die ist wie vom Erdboden verschluckt …

(c) Goldmann

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Ich gebe es zu, ich habe ein Problem mit Krimis aus Skandinavien. Nun erscheint aber ein Buch, das so ganz nach meinem Geschmack sein könnte. “Made in Sweden” (17. August) klingt so gar nicht nach Tristesse oder supergrausamen Morden. Besonders brisant: Während sich Co-Autor Thunberg mittels seiner Drehbücher einen Namen machte, waren seine Brüder einst die berüchtigtsten Bankräuber Schwedens. Könnte daher natürlich auch eine allzu unkritische Bankräuber-Saga geworden sein – mal sehen.

Vier junge Männer liegen in einem dunklen Wald vor Stockholm auf der Lauer. Sie sind kurz davor, ein geheimes militärisches Waffenlager zu überfallen. Doch das ist erst der Anfang – Leo und seine beiden Brüder verfolgen zusammen mit einem Freund einen ebenso verrückten wie genialen Plan: Sie stehlen eine ganze Wagenladung Waffen, um damit eine Serie der kaltblütigsten und skrupellosesten Raubüberfälle zu begehen, die Schweden je erlebt hat. Doch Kriminalinspektor John Bronks, der auf die Bande angesetzt wird, führt seine Ermittlungen mit einer Besessenheit durch, die jener Leos ebenbürtig ist. Wird er Schwedens gefürchtetste Bankräuber zu fassen kriegen?

(c) Liebeskind

(c) Liebeskind

James Carlos Blake gilt als einer der großen Chronisten des amerikanischen Wilden Westens. Sein Roman “Pistolero” (24. August) ist das Porträt der Wildwestlegende John Wesley Hardin, der übrigens vor ziemlich genau 120 Jahren erschossen wurde. Blake hat die Kritiker bereits mit seinem Western “Das Böse im Blut” überzeugt, bei mir steht dieses Buch leider seit langem ungelesen im Regal. Da ich ein Faible für Revolverhelden habe, stehen die Chancen aber gut, dass ich “Pistolero” nun vorziehe.

John Wesley Hardin war ein mutiger Mann, der seine Waffe auf jene Soldaten richtete, die in den dunklen Tagen nach dem Bürgerkrieg in ganz Texas wüteten. Schon als junger Bursche hat er gegen das Unrecht gekämpft. Und als die verdammte State Police unschuldige Leute tyrannisierte, hat er ihnen da nicht die Hölle heißgemacht? Hat er sie nicht eigenhändig aus Gonzales County vertrieben? Sicher, er hat Männer umgebracht, viele Männer – aber nur Männer, die versucht haben, ihn zu töten! Selbstverteidigung ist das oberste Gesetz des Lebens, das weiß jeder. Und Hardin hat nichts anderes getan, als nach diesem Gesetz zu leben. Wer würde nicht dasselbe tun, wenn er nur den Mut und die Fähigkeiten dazu hätte? So sagten die einen. Die anderen sagten, er sei von Natur aus rebellisch gewesen, ein schwarzes Schaf. Nein, schlimmer – viel schlimmer. Von Grund auf böse. Ein geborener Killer. Eine gewalttätige Seele, beherrscht vom Stolz, der schlimmsten aller Todsünden. Seinen mörderischen Taten noble Absichten zu unterstellen hieße, Teufelshörnern einen Heiligenschein aufzusetzen …

kalterschussinsherzVielversprechendes kommt auch aus dem Pendragon-Verlag. “Kalter Schuss ins Herz” (Ende August) von Wallace Stroby passt eigentlich perfekt in mein Krimi-Beuteschema. Das klingt doch mal nach einer echt außergewöhnlichen Frau.

Crissa Stone ist jung, attraktiv und ein knallharter Profi. Ihr Geld macht sie mit Raubzügen. Crissa bekommt einen Job angeboten, bei dem sie mit zwei Komplizen eine Pokerrunde überfallen soll. Eine leichte Nummer, wenig Aufwand, sehr viel Geld. Der Auftrag läuft aus dem Ruder: Plötzlich fällt ein Schuss und einer der Pokerspieler wird getötet. Als sich herausstellt, dass der Tote der Schwiegersohn eines Gangster­bosses ist, wird die Lage für Crissa gefährlich. Der Boss engagiert Eddie den Heiligen, einen skrupellosen Verbrecher und eiskalten Killer, um den Ermordeten zu rächen. Crissa taucht unter, aber Eddie hat sie in der Hand. Er weiß, für wen Crissa ihr Leben riskieren würde. Sie weiß, es gibt nur eine Lösung …

(c) Limes

(c) Limes

Soeben bin ich in die geniale TV-Serie “The Knick” (mit Clive Owen in der Hauptrolle) reingekippt. Da klingt “Runa” (24. August) perfekt, um das Thema Medizin rund um 1900 abzurunden. Zudem lerne ich historische Krimis immer mehr zu schätzen.

Paris 1884. In der neurologischen Abteilung der Salpêtrière-Klinik führt Dr. Charcot Experimente mit hysterischen Patientinnen durch. Seine Hypnosevorführungen locken Besucher aus ganz Europa an; wie ein Magier lässt der Nervenarzt die Frauen vor seinem Publikum tanzen. Dann aber wird Runa in die Anstalt eingeliefert, ein kleines Mädchen, das all seinen Behandlungsmethoden trotzt. Jori Hell, ein Schweizer Medizinstudent, wittert seine Chance, an den ersehnten Doktortitel zu gelangen, und schlägt das bis dahin Undenkbare vor. Als erster Mediziner will er den Wahnsinn aus dem Gehirn einer Patientin fortschneiden. Was er nicht ahnt: Runa hat mysteriöse Botschaften in der ganzen Stadt hinterlassen, auf die auch andere längst aufmerksam geworden sind. Und sie kennt Joris dunkelstes Geheimnis …

(c) Szolnay

(c) Deuticke

Abschließend muss ich mich für den Umfang dieser Empfehlungen entschuldigen, aber mein Geburtsmonat August hat einfach viel zu bieten 😉 Zum Abschluss noch einmal hoffentlich Feines aus meinem Heimatland. Christian Mährs “Alles Fleisch ist Gras” wurde heuer sogar für das Fernsehen verfilmt. Ich habe aber weder das Buch gelesen, noch den Film gesehen. Sein neuer Krimi “Knochen kochen” (24. August) klingt jedenfalls schon vom Titel her schräg.

Matthias Spielberger, Wirt der “Blauen Traube” in Dornbirn, wird von seinem Schulkollegen Erasmus von Seitenstetten kontaktiert: Der aus verarmtem Adel stammende Biologe hat entdeckt, dass einer seiner Ahnen an einer rätselhaften Seuche – dem “Englischen Schweiß” – verstorben war. Nun plant er im Geheimen dessen Exhumierung, um durch die Lösung dieses wissenschaftlichen Rätsels berühmt zu werden. Mithilfe der Stammtischrunde aus der “Blauen Traube” wird im Wienerwald das Ahnengrab geöffnet. Doch das Gerippe hat mittlerweile mehrere Interessenten auf den Plan gerufen, und die Sache beginnt gründlich aus dem Ruder zu laufen …

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Malcolm Mackay: Der Killer hat das letzte Wort

(c) Fischer

(c) Fischer

Malcolm Mackays Debüt “Der unvermeidliche Tod des Lewis Winter” hat mich im Vorjahr überzeugt. Ich habe mich deshalb auch schon auf die Fortsetzung “Der Killer hat das letzte Wort” gefreut. Doch diesmal hat mich Mackay ein wenig genervt. Es ist eigentlich genau so, wie es Marcus Müntefering auf Krimi-Welt schreibt: “Immer wieder gelingen Mackay intensive Passagen, vor allem die Unterhaltungen unter den sich belauernden Kriminellen, die sich zumeist in Andeutungen ergehen, jede Eindeutigkeit zu scheuen scheinen, bereiten großes Lesevergnügen. Doch dann steht MacKay sich selbst immer wieder im Weg: Er ist geschwätziger als eine alte Witwe, die nur einmal in der Woche Besuch bekommt. Alles wird erklärt, ausgeschmückt, jede Szene in die Länge gezogen. Hier könnte ein Lektor Wunder wirken – auf 200 Seiten wäre dieser kleine Glasgow-Krimi sicherlich ein großes Vergnügen.” Hätte Jamis Sallis dieses Buch geschrieben, wäre es wohl perfekt geworden, so aber ist es wirklich geschwätzig, obwohl es eigentlich das Gegenteil sein will.

Mich hat aber noch mehr gestört. Im ersten Band hat mich Mackays ökonomische Sichtweise der Verbrecherwelt beeindruckt. Unnötige Gewalttaten schaden dem Geschäft usw. Doch diesmal hat es Mackay aus meiner Sicht übertrieben. Man bekommt das Gefühl, dass hier nur klug kalkulierende Geschäftsmänner am Werk sind. Das ist dann wohl doch eine naive Vorstellung von Verbrechern. Nur wenn es absolut notwendig ist, muss Blut fließen. Ich fürchte, hier spielen Emotionen – Geschäft hin oder her – allzu oft eine wichtige Rolle.

Nicht ganz glaubhaft war für mich auch, dass die erste Fehlleistung des alternden, aber absolut loyalen Killers Frank MacLeod innerhalb von 30 Jahren gleich zu derartigen Konsequenzen führt. Wäre die Verbrecherwelt nur auf absolute Profis, die niemals Fehler machen, angewiesen, dann gäbe es wohl keine Verbrecherwelt mehr. Verbrechen als reines Handwerk von Profis hochzustilisieren, das finde ich schon ein wenig befremdlich – und eben unglaubwürdig. Wenn schon Firmen Probleme habe, gute Leute zu finden, dann wird das ausgerechnet den Verbrechern gelingen. Ich glaube nicht, dass es für das Organisierte Verbrechen leistbar ist, einen alternden Killer nach einem Fehler auf die Abschussliste zu setzen. Noch dazu, wenn ausführlich beschrieben wird, wie perfekt dieser eigentlich sein muss, um den Ansprüchen der Verbrecherbosse zu genügen. Wo soll man solche Leute denn dann noch finden?

Ständig wird auch darüber nachgedacht, was die anderen denken und was in den anderen vorgeht. Als absolute Profis haben sie auch alle Verständnis für die Handlungsweisen ihrer Mit- und Gegenspieler. Hier werden meiner Meinung nach alle Figuren stark überhöht. Seltsam fand ich aber auch die Auswegslosigkeit der beiden Killer, des alternden Frank und des jungen Calum: “Er ist ein Killer und wird nie etwas anderes sein. Man lebt so lange als Killer, dass man einfach kein anderer Mensch mehr werden kann.” So ist es für Calum ein Problem, dass er seit Monaten eine Freundin hat. Denn: Killer müssen ein einsames Leben führen. Frank wiederum zieht Flucht als Möglichkeit nicht einmal wirklich in Betracht, oder die Chance irgendwo anders mit all seinem Geld ein neues Leben anzufangen. Eigentlich sind alle Figuren Mackays Gefangene – so kommt es einem zumindest vor.

Im Frühjahr 2016 kommt Teil drei auf den Markt. Und ich weiß nicht warum, aber ich werde es wie Marcus halten und auch dieses Buch lesen…

5 von 10 Punkten

Malcolm Mackay: “Der Killer hat das letzte Wort”, übersetzt von Thomas Gunkel, 370 Seiten, Fischer Verlag.

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Vom Niedergang der Rezension?

Kürzlich bin ich auf Dieter Paul Rudolphs Text “Keine Kritik! Vom Niedergang der Rezension” gestoßen. Ich will dessen Lektüre ausdrücklich empfehlen und hier kurz darauf eingehen, weil er viel darüber aussagt, was mir beim Bloggen wichtig ist.

Ganz früher – ich erinnere mich noch vage – hießen Rezensenten nicht Rezensenten, sondern Kritiker. Ihre Aufgabe war es, ein Urteil über einen Gegenstand – z.B. ein literarisches Werk – zu fällen und man erwartete, dass sie diesen ihren Gegenstand von allen Seiten genau betrachteten und bewerteten. Ziel war eine „objektive Beurteilung“ auf der Grundlage von Kriterien und Regeln, die für Außenstehende kenntlich und nachvollziehbar sein mussten. Natürlich besaß diese „Objektivität“ stets eine subjektive Färbung und war demzufolge immer auch „Meinung“.

Genau um diese möglichst objektive und gleichzeitig begründete Betrachtung, die natürlich trotzdem Meinung bleibt, geht es mir. Ich will nicht in den Himmel loben und ich will nicht verdammen. Ich will den besprochenen Kriminalroman so gut wie möglich verorten, besser verständlich machen, warum er aus der Publikationsflut herausragt – oder eben nicht. Das soll aber nicht auf einem reinen Geschmacksurteil basieren. Wenn ich Probleme mit einem Buch habe, will ich dieses fair darstellen. Ein simples “Hat mir nicht gefallen” halte ich übrigens nicht für fair. Warum hat es mir nicht gefallen, das ist doch viel interessanter.

Nun ist es nicht so, dass ich der Kritik, wie sie heute noch im sogenannten „Qualitätsjournalismus“ angetroffen werden kann, besonders viele Tränen nachweinen würde. Häufig entpuppen sich die Ergüsse von Kritikern als Schaustücke eigener Gelehrt- und Belesenheit, sie sind – das Germanistikstudium lässt grüßen – mit Fachausdrücken durchsetzt, die sofort signalisieren, an wen man sich eigentlich richtet: an seinesgleichen.

Das sehe ich auch so. Journalismus ist leider nicht selten die Zurschaustellung seiner eigenen Gelehrtheit. Möglichst unverständlich zu formulieren, wird da schon mal als Gütesiegel betrachtet. Ich sehe das genau anders: Journalismus soll Themen und Inhalte verständlich machen – für jeden, und nicht nur für Gelehrte.

Die typische Blogrezension besteht aus 80 % Nacherzählung des Inhalts, ein paar Infos zum Produkt – und zumeist wenigen Sätzen, die das „Urteil“ des Bloggers wiedergeben. Von Auseinandersetzung, Urteilsbildung, Kriterien kaum eine Spur. Lässt sich gut lesen, hat mich gelangweilt, hübsches Cover – das wars dann schon.

Ich glaube (und hoffe!) nicht, dass das die typische Blogrezension ist. Das mag aber auch daran liegen, dass ich nur wenige, dafür aber sehr gute Krimiblogs lese – ebensolche, die nach den oben geschilderten Kriterien der Objektivität vorgehen. Mit inhaltlichen Nacherzählungen habe ich auch ein großes Problem, ich ertappe mich sogar immer wieder dabei, viel zu wenig über den Inhalt zu erzählen. Das ist dann wohl auch manchmal für meine Leser hinderlich, aber ich traue ihnen zu, sich gegebenenfalls selbst über die Inhaltsangaben zu informieren.

Und seien wir ehrlich: In den meisten Fällen geben die besprochenen Bücher auch nicht mehr her. O815-Mainstream, das ewige Serienmorden und Psychothrillern, die Sprache nur Transportmittel, Hauptsache schlackenlos und geschmeidig genug, in ein Ohr hinein und aus dem anderen folgenlos wieder entweichen zu können.

Wieder trifft es Dieter Paul Rudolph auf den Punkt. Ich habe sie auch satt, diese ewigen Serienmorde und furchtbar konstruierten Psychothriller. Aber ich glaube, ich schaffe es mittlerweile ziemlich gut, ihnen aus dem Weg zu gehen.

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Meine Urlaubslektüre: Kriminalliteratur mal vier

(c) Crimenoir

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Kein Urlaub ohne gute Kriminalliteratur. Nein, das ist kein Lesestress, sondern Entspannung. Daher will ich diesmal auch nur kurz vermerken, was mich begeistert hat und was weniger.

Es begann mit Lee Childs “Way Out”. Ja, ich hatte mit Child eigentlich schon abgeschlossen, nachdem mich vor vielen Jahren “Sein wahres Gesicht” so gar nicht überzeugen konnte. Ich fand das damals ziemlich klischeehaft und platt. Noch kurz vor meinem Urlaub hatte ich “Der Anhalter” absolviert, Childs aktuelles Abenteuer, Band 17 der Jack-Reacher-Reihe. Laut amazon-Kritik düfte es das schwächste Buch der Reihe sein. Doch mir hatte es Geschmack auf mehr gemacht und so kaufte ich noch auf den letzten Drücker “Way Out”. Eine gute Entscheidung. Denn Child ist in seinem 10. Abenteuer noch besser in Form – bis zum Schluss. Dieser war bei “Der Anhalter” leider eher schwach, davor hatte mich aber auch dieses Buch gut unterhalten. Dieser Jack Reacher, der einsam und nur mit dem was er am Körper trägt, durch die USA reist, hat mich gepackt. Er sorgt für Gerechtigkeit – um jeden Preis. Ja, das ist bedenklich und so weiter – aber mir war es egal. Dabei dachte ich, Thriller seien nicht mehr so wirklich mein Ding. Doch “No Way” war die perfekte Urlaubslektüre – nicht zu anspruchsvoll, aber auch nicht niveaulos. Einfach spannend, mit trockenem Humor. Eine gute Mischung. Das ist große Schreibkunst. Fest steht, Lee Child steht demnächst wieder auf meinem kriminellen Leseplan, ich hätte am liebsten gleich noch einen Jack-Reacher-Roman verschlungen.

Danach folgte “Zurück auf Start” von dem griechischen Krimiautor Petros Markaris. Ich habe seinen Vor-Vorgänger “Zahltag” gelesen, den ich gut fand. Markaris gewährt uns eine einzigartige Innensicht von Griechenland. Sein Kommissar Kostas Charitos hat Charme, er ist ein Mensch wie du und ich. Er ist kein Ermittler, der knifflige Rätsel löst und so ziemlich das Gegenteil vom CSI-Superlabor-Wissenschafts-Wunderpolizisten. Ich habe im aktuellen Buch erfahren, dass Athen die aktuelle Krise brauchte, um endlich wieder staufreien Verkehr zu haben – denn niemand fährt mehr mit dem Auto, weil es sich niemand mehr leisten kann. Mit wenigen Szenen erzählt Markaris sehr viel. Allerdings ist mir die Krimi-Handlung bei ihm generell zu simpel gestrickt. Wie schon bei “Zahltag” geschehen drei Morde (bzw. Selbstmorde), ehe man dem Täter auf die Spur kommt, die auch wieder Botschaften hinterlassen. Das ist halt doch immer gleiche, sehr durchschaubare Schema. Letztlich ist dann egal, wer der Täter ist. Doch ich werde beim Lesen gern überrascht. Wer auf klassische Krimis steht, wird bei Markaris allerdings perfekt bedient.

“Angel Baby” von Richard Lange beginnt heftig. Man sollte sich aber von den ersten zwei, drei Seiten nicht abschrecken lassen. Langes US-mexikanisches Drogendrama hat mich, im Gegensatz zu Markaris, immer wieder echt überrascht. Er hat einen facettenreichen und fesselnden Kriminalroman mit vielen tragischen Figuren geschrieben. Das ist durchaus düsterer Stoff, mit faszinierenden (Anti-)Helden. Da steckt schon viel unter die Haut gehender Noir drin, bloß gegen Ende hin wird es dann ein wenig kitschig. Es ist zwar kein reines Happy End, aber es ist doch eine kleine Enttäuschung.

(c) crimenoir

(c) crimenoir

Sehr interessant war es, abschließend Don Winslows Frühwerk “London Undercover” zu lesen. Das Buch hat mir eines bewiesen: Winslow ist einer der vielseitigsten Schreiber guter Kriminalliteratur. Wer “Tage der Toten” oder zuletzt “Das Kartell” gelesen hat, wird sich schwer tun, diesen Autor mit “London Undercover” in Verbindung zu bringen. Winslows Neal-Carey-Reihe ist weit entfernt von Winslows schmerzhaftem Hyperrealismus seiner erwähnten Drogenepen. Das liest sich eher wie ein Trevanian-Kriminalroman (den Winslow ja laut “Satori”-Nachwort durchaus als Vorbild sah) oder sogar ein wenig wie ein Tim-und-Struppi-Abenteuer. Das ist nicht abwertend gemeint: Da gibt es einfach wirklich absurde Szenen, die einen zum Lachen bringen. Dass Winslow auch die Surferromane um Boone Daniels sowie die experimentellen Drogen-Krimis “Zeit des Zorns” und “Kings of Cool” geschrieben hat, ist eigentlich unglaublich. Er erfindet sich immer wieder neu. Ich finde das in einer Literaturwelt, die zunehmend auf Bewährtes und Erfolgreiches setzt, sehr beachtlich und bewundernswert. Mag sein, dass er seine besten Kriminalromane schon geschrieben hat, aber ideenloser Mainstream sieht anders aus.

 

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KrimiZeit-Bestenliste August: Ein Abgleich

(c) Ariadne Kriminalroman

(c) Ariadne Kriminalroman

Fünf der zehn Bücher der KrimiZeit-Bestenliste August habe ich bereits gelesen, ein weiteres ist Fixstarter auf meiner Leseliste, zwei weitere habe ich erst kürzlich bei meinen Krimitipps empfohlen. Aber alles der Reihe nach…

Wenig verwunderlich befindet sich Merle Krögers “Haverie” erneut auf Platz eins. Mein Tipp: Das wichtige Werk über das aktuelle Drama im Mittelmeer wird auch der Gewinner der KrimiZeit-Jahreswertung. Ebenfalls hier besprochen habe ich Don Winslows “Das Kartell”. Ein ebenfalls nicht zu unterschätzendes Buch über den Drogenkrieg, wenn auch nicht ganz so genial wie Winslows erstes Drogenepos “Tage der Toten”.

Ebenfalls gelesen, aber noch nicht besprochen (kommt alles in Kürze!): Newton Thornburgs erstmals in voller Länge übersetzter Krimiklassiker “Cutter und Bone”. Jeder, der sich wirklich für Kriminalliteratur interessiert, sollte sich das nicht entgehen lassen. Auch Gary Victors “Soro”, ein Kriminalroman, der in Haiti spielt, habe ich durchaus genossen, allerdings hat er mich nicht ganz so umgehauen wie die meisten Kritiker. Noch weniger begeistert hat mich allerdings diesmal der Grieche Petros Markaris. “Zurück auf Start” ist natürlich lesenswert, aber mir gleichen dann gerade seine Krimis zur aktuellen Griechenland-Krise doch allzu sehr.

Varennes und Mishanis Bücher habe ich hier im Mai und Juli empfohlen. Mishani möchte ich unbedingt noch lesen, Varenne lasse ich vorerst einmal bleiben. Der Grund ist vielleicht unverständlich: 560 Seiten sind mir im Moment einfach zu viel (nach Greg Iles’ 1000-Seite-Wältzer “Natchez Burning” und Winslows über 800-seitiges Drogendrama). Lieber lese ich jetzt mal wieder ein paar dünne Bücher mehr.

Dazu muss diesmal einfach auch Friedrich Anis “Der namenlose Tag” (302 Seiten) zählen. Ich weiß, es ist eine Schande, aber es wird meine Erst-Begegnung mit dem Autor sein – und ich gebe zu, ich bin fast ein wenig nervös. Kann sein neuer Ermittler mit seiner Kultfigur Tabor Süden mithalten? Was meinen die Ani-Kenner unter euch??

Die Liste im Überblick:

1 (1) Merle Kröger: Havarie
2 (-) Newton Thornburg: Cutter und Bone
3 (-) Friedrich Ani: Der namenlose Tag
4 (5) Gary Victor: Soro
5 (10) Antonin Varenne: Die sieben Leben des Arthur Bowman
6 (3) Don Winslow: Das Kartell
7 (8) Wu Ming: 54
8 (6) Carol O’Connell: Kreidemädchen
9 (-) Petros Markaris: Zurück auf Start
10 (-) Dror Mishani: Die Möglichkeit eines Verbrechens

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Don Winslows “Das Kartell” soll verfilmt werden

(c) Knopf

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Lange hieß es, Don Winslows “Tage der Toten” solle verfilmt werden. Mittlerweile zweifle ich daran. Dennoch könnte Winslow demnächst zu Hollywood-Ehren kommen. Denn nun brodelt die Gerüchteküche wieder über: Seine Fortsetzung “Das Kartell” (im Original: “The Cartel”) wird als heißer Kandidat für eine Verfilmung gehandelt. Der “Hollywood Reporter” berichtet, dass niemand geringerer als Star-Regisseur Ridley Scott federführend hinter dem Projekt stehen soll. Die Rolle von Drogenfahnder Art Keller soll laut “Deadline” Leonard Di Caprio spielen. Woher das plötzliche Interesse kommt, liegt auf der Hand: Die spektakuläre Flucht des berüchtigten mexikanischen Drogenbosses “El Chapo” Guzman hat weltweit für Schlagzeilen (siehe: “Ein Loch in den Grundfesten Mexikos”, “Wie Drogenboss ‘El Chapo’ die Flucht gelang”) gesorgt.

Nun widmet Winslow in “Das Kartell” seinem fiktiven Drogenboss Adan Barrera, der klar erkennbar an dem realen “El Chapo” angelehnt ist, und dessen Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Buches. Barrera führt im Gefängnis seine Geschäfte weiter, der große Teil des Gefängnispersonals steht auf seiner Seite. Das wird wohl auch beim realen “El Chapo” nicht viel anders gewesen sein. Wer will diesen Mann schon zum Feind haben? Eine Flucht ohne Mithilfe von innen erscheint sehr unwahrscheinlich.

Aber welche Wahl hat man schon als einfacher Gefängniswärter? “Die meisten waren scharf auf das Geld. Leute, die zögerten, bekamen im Gefängnis Besuch von Diego, und er zeigte ihnen Fotos von ihren Frauen und Kindern”, schreibt Winslow auf Seite 41 von “Das Kartell”. “Drei Wachmänner weigerten sich trotzdem, Geld zu nehmen. Diego lobte sie für ihre Integrität. Am nächsten Morgen fand man sie mit durchschnittenen Kehlen.”

Das stimmt mit den Darstellungen in Malcolm Beiths Sachbuch “El Chapo. Die Jagd auf Mexikos mächtigsten Drogenbaron” überein: “Für den seltenen Fall, dass Geld allein nicht ausreichte, einen Wärter oder Mithäftling dazu zu bringen, Chapos Anordnungen zu folgen, wurde mittels Drohungen sichergestellt, dass sie dennoch kollaborierten. Diejenigen, die sich weigerten, für Chapo zu arbeiten, wurden Jaime Leonardo Valencia Fontes gemeldet, einem Häftling, der als Chapos rechte Hand agierte. Valencia ging dann auf den Wärter oder Häftling zu und sagte: ‘Hör mal, es heißt, du bis von uns genervt und weißt unsere Freundschaft nicht zu schätzen. Mach dir keine Sorgen, hier haben wir … ‘ Dann pflegte er ein Notebook oder einen Organizer hervorzuholen und dem Widerspenstigen unter die Nase zu halten. ‘… die Adresse von dir und deiner Familie. Wie du siehst, alles kein Problem.’ Daraufhin spielten fast alle mit.”

Wer nicht so lange warten will, kann schon bald die TV-Serie “Narcos” (auf Netflix) sehen, wie “Der Schneemann” auf seinem Blog schreibt.

 

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