Monthly Archives: June 2019

Wie lange dürfen Titel von Kriminalromanen sein?

(c) Profile Books

Kriminalromane haben meist kurze Titel. Oft bestehen sie nur aus einem Wort, sehr oft aus zwei bis drei Wörtern. Sehr oft stecken Signalworte wie Tod, Blut, Mädchen und Kind darin. Lange Titel sind hingegen nahezu ein Tabu. Schade eigentlich, denn einer meiner Lieblingsautoren hat damit keine Berühungsängste – auch wenn er damit gegen den Willen seines Verlages und gegen jegliche Vermarktungslogik handelt. Adrian McKintys Sean-Duffy-Romane tragen im Original Titel wie “Police at the Station and they don’t look friendly” (finde ich übrigens sehr genial), “In the Morning I’ll be gone” oder “I Hear the Sirens in the Street”.

Es mag aber auch zum Teil McKintys Erfolg erklären. Er bricht mit Normen, wie er vor einiger Zeit auch einmal in seinem Blog erzählt hat:

I usually have long titles. I almost always begin my books slowly with description and with weather rather than action (in strict contradiction of the rules for writers laid down by Elmore Leonard and Stephen King).

(c) Suhrkamp Nova

Dadurch hat sich der Nordire unverwechselbar gemacht. Er könne gut damit leben, dass man seine Bücher eben nicht schnell am Wühltisch am Flughafen kaufe. Leider hat McKintys deutscher Verlag die Buchtitel natürlich gekürzt und aus den oben genannten Titeln – in der gleichen Reihenfolge – “Dirty Cops” (uff!), “Die verlorenen Schwestern” und “Die Sirenen von Belfast” (fast schon lang und inhaltlich immerhin passend) gemacht.

(c) Heyne

Da lobe ich mir auch einen aktuellen, zugegebenermaßen kryptischen Krimititel wie “Die Nacht ist unser Haus” (ja, schon ein bissl seltsam und unverständlich) der britischen Autorin Jules Grant. Hinter diesem sperrigen Titel mit dennoch coolem Cover verbirgt sich ein außergewöhnlicher Kriminalroman über eine lesbische Girlgang in Manchester. Gratulation, Heyne, für den Mut – obwohl ich mir sicher bin, dass das den Verkaufszahlen nicht sonderlich förderlich sein wird. Im Original lautet der Titel übrigens “We go around in the night and are consumed by fire”. Da wirken sogar McKintys Titel im Vergleich knackig und kurz 😉

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Krimi-Bestenliste im Mai/Juni: Ein Abgleich

(c) Liebeskind

Puuh, wow, ich war nicht einmal auf Urlaub und habe den Blog nun tatsächlich einen Monat lang schleifen lassen. Nun ja, dann halt gleich die Krimi-Bestenliste im Doppelschlag.

James Sallis führte im Mai zum zweiten Mal in Folge die Krimi-Bestenliste an. Ich habe hier schon erklärt, warum mich das in diesem Fall bedingt begeisterte, obwohl Sallis zu den ganz großen Krimiautoren zählt.

Ich habe in den vergangenen Wochen viele Kriminalromane von Autorinnen gelesen – darunter auch Melissa Scrivner Loves “Lola”, Sara Grans “Das Ende der Lügen” und Tess Sharpes “River of Violence”. Müsste ich eine Reihung vornehmen, würde ich die Reihenfolge genau umdrehen. Sharpe hat mich wirklich begeistert, Gran ist immer etwas ganz Eigenes und Scrivner Love ist guter Mainstream (daher am Lesermarkt wohl auch am erfolgreichsten). Lola ist eine spannende Figur, aber ihrer Autorin fehlt der letzte Mut, sie auch einfach böse sein zu lassen. Sie rechtfertigt aus meiner Sicht die Handlungen ihrer Figur zu sehr. Sharpe ist da um einiges konsequenter. Wenn schon drogendealende, mordende Frau – dann bitte richtig.

Wenn wir schon bei starken Autorinnen und starken weiblichen Figuren sind – Christine Lehmann sollte ich wohl auch mal lesen, zumal sie ihre Position im Juni verbessert hat. Die kenne ich noch gar nicht…

Mit “Fiona” hat zudem auch Harry Bingham eine außergewöhnliche weibliche Figur erschaffen, die nun endlich auch auf meinem Radar gelandet ist. Wahnsinn, da gibt es ja schon fünf Bände rund um Fiona.

Tja, über Don Winslows “Jahre des Jägers” habe ich hier schon geschrieben. Joseph Incardonas “Aspahltdschungel” würde mich schon interessieren, aber ich fürchte, das wird sich bei mir nicht ausgehen.

Mittlerweile habe ich auch die neue Nummer eins aus dem Juni, “Berlin Prepper” von Johannes Groschupf, gelesen. Naja, nicht schlecht, aber ganz überzeugt war ich auch nicht, da war mehr drin. Feines Setting, aber erzählerisch doch mit Schwachstellen.

Die Liste im Juni:

1. Johannes Groschupf: Berlin Prepper (-)
2. Liza Cody: Ballade einer vergessenen Toten (-)
3. Kate Atkinson: Deckname Flamingo (-)
4. Christine Lehmann: Die zweite Welt (6)
5. Ivy Pochoda: Wonder Valley (-)
6. Harry Bingham: Fiona – Wo die Toten leben (7)
7. Graham Moore: Der Mann, der Sherlock Holmes tötete (-)
8. Andrew Carmel: Murder Swing (-)
9. Joseph Incardona: Asphaltdschungel (4)
10. Tess Sharpe: River of Violence (10)

Die Liste im Mai:

1. James Sallis: Willnot (1)
2. Melissa Scrivner Love: Lola (8)
3. Heinrich Steinfest: Der schlaflose Cheng (2)
4. Joseph Incardona: Asphaltdschungel (-)
5. Don Winslow: Jahre des Jägers (9)
6. Christine Lehmann: Die zweite Welt (-)
7. Harry Bingham: Fiona – Wo die Toten leben (-)
8. Jonathan Robijn: Kongo Blues (7)
9. Sara Gran: Das Ende der Lügen (3)
10. Tess Sharpe: River of Violence (-)

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