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Lee Child: Der Bluthund

(c) Blanvalet

Jack Reacher ist eine der Kultfiguren des modernen Thrillers. Nur mit einer Zahnbürste bewaffnet reist er quer durch die USA. Sein Ziel ist ihm unbekannt, zumeist steigt er in jenen Bus, der als nächstes am Busbahnhof abfährt. Oder er fährt als Anhalter mit. Eines sollte man den ehemaligen Militärpolizisten aber nicht: sich zum Feind machen. Denn dann ist der einsame Reiter kompromiss- und erbarmungslos. Da kann man sich gleich sein Grab schaufeln.

Der Bluthund” ist bereits das 22. Reacher-Abenteuer und ein Ende der Serie ist nicht in Sicht. Denn nach den nächsten beiden, noch nicht übersetzten Bänden (“Past Tense”, Blue Moon”) werden vier weitere Jack-Reacher-Romane in Co-Arbeit mit Childs Bruder Andrew Grant erscheinen. Danach übernimmt der kleine Bruder die Serie überhaupt.

Aber zurück zum aktuellen Buch. Diesmal entdeckt Reacher zufällig bei einem Pfandleiher einen Abschlussring der Militärakademie West Point. Wie dieser dorthin gelangt ist? Das lässt den hartnäckigen Gerechtigkeitsfanatiker nicht mehr los und schon bald steckt er in massiven Schwierigkeiten – naja, genau genommen, die Bösen natürlich.

Hatte man bei den vergangenen Bänden der Reihe immer wieder das Gefühl, der Autor würde ein wenig ermüden, findet Child nun wieder zu alter Stärke zurück. Dabei ist Jack Reacher diesmal so sanft wie schon lange nicht. So wenig Schlägereien und Schießereien finden selten statt.

Dem Lesevergnügen tut das keinen Abbruch – im Gegenteil. Allerdings ist der Thrill-Faktor ein wenig reduziert worden, was vielleicht nicht jedem Fan behagt. Reacher wirkt diesmal fast wie ein echter Mensch – nicht übergroß. Vor allem setzt sich Autor Child diesmal mit einer sehr realen Problematik in den USA auseinander: der Opioid-Krise, die mittlerweile das ganze Land erschüttert und alle Gesellschaftsschichten durchdringt.

Fazit: Auch ein Held ist nur ein Mensch.

7 von 10 Punkten

Lee Child: “Der Bluthund”, übersetzt von Wulf Bergner, Blanvalet Verlag, 447 Seiten.

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Lee Child: Im Visier

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“Im Visier” ist Jack Reachers 19. Abenteuer. Ich liebe die Figur von Lee Child einfach, daran kann auch dieser eher mittelmäßige Band nichts ändern. Diesmal verlässt der ehemalige Militärpolizist sogar sein gewohntes Terrain, die US-Bundesstaaten des Mittleren Westen, um sich einem Scharfschützen in Europa entgegenzustellen. Überraschenderweise dauert es rund 100 Seiten, bis die Geschichte Fahrt aufnimmt. Sehr ungewöhnlich für einen Reacher-Roman. Zwischen den Seiten 100 bis 300 spielt der Autor dann auch gekonnt alle seine Stärken aus. Nette Wendungen, Reachers untrüglicher Instinkt und sein typisches Wissen über alles Mögliche.

Dann verflacht die Geschichte leider wieder. Bei einem Scharfschützen als Gegenspieler hätte ich mir einen besseren Showdown erwartet, stattdessen wird es zunehmend unlogisch. Auffallend waren diesmal auch die vielen Fehler, die das Lektorat übersehen hat. Selten entdeckt man so viele Fehler. Dennoch freue ich mich schon auf den nächsten Reacher im nächsten Sommer – noch.

5 von 10 Punkten

Lee Child: “Im Visier”, übersetzt von Wulf Bergner, Blanvalet, 414 Seiten.

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Lee Child: Der letzte Befehl

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Lee Childs Jack-Reacher-Thriller sind die perfekte Lektüre für den Urlaub. Ich bin da beim Lesen nicht ganz so anspruchsvoll und genieße gern Reachers politisch unkorrekte, leicht machomäßige (“Ich meine, die Kerle waren anfangs zu viert, und ich habe ihnen die Chance gegeben, mit Verstärkung zurückzukommen. Und was tun sie? Sie kreuzen mit zwei Mann mehr auf. Das war’s schon. Die Kerle sind nur zu sechst angetreten. Was hat das zu bedeuten? Das ist bewusste Respektlosigkeit.”) Welt. “Der letzte Befehl” zeigt uns laut Rückentext des Buches “die Geburt einer Thriller-Legende: Jack Reacher – wie alles begann!”.

Nun ja, allzu viel Neues erfährt man über Jack Reacher nun auch wieder nicht. Interessant ist vielmehr, dass das nun auf Deutsch vorliegende Buch eigentlich Nummer 16 der Reacher-Reihe ist, aber erst nach Abschluss der sogenannten Susan-Turner-Tetralogie als 18. Band erscheint. Zumindest dürfte ab nun die richtige Reihenfolge wiederhergestellt sein.

Aber zurück zu Reacher: Wie gesagt, viel Neues erfährt man nicht über ihn. Bloß die Ursprünge seiner Verhaltensweisen werden hier noch einmal erklärt. Etwa: Warum kauft sich Reacher immer wieder neue T-Shirts statt sie waschen zu lassen, wenn sie schmutzig sind? Ein wenig Reacher-Nostalgie sozusagen.

Auch spielt der Autor gekonnt mit Erwartungen. Zwar wird Reachers Bruder immer wieder erwähnt. Aber Child versteht es gekonnt, den Leser mit wenig neuen bis gar keinen Informationen zurückzulassen. Hier foppt er die Leser genußvoll, das sind schöne Schmähs für echte Reacher-Fans. Natürlich dürfen auch die oben erwähnten Schlägereien nicht fehlen.

Allerdings war mir das diesmal doch ein wenig zu schablonenhaft runtergeschrieben, über die ideenlosen Sexszenen will ich erst gar kein Wort verlieren. Recht phantasielos.

6 von 10 Punkten

Lee Child: “Der letzte Befehl”, übersetzt von Wulf Bergner, Blanvalet, 448 Seiten.

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Lee Child: Die Gejagten

(c) Blanvalet

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Lee Childs Jack-Reacher-Romane sind die perfekte Lektüre für den Sommerurlaub. Sie lassen sich hervorragend verschlingen. Jack-Reacher-Bücher sind zwar grundsätzlich nicht besonders anspruchsvoll, aber einfach die perfekte kurzweilige Unterhaltung.

Jeder, der Reacher kennt, liebt ihn – oder hasst ihn. Zweifellos ist der von Autor Lee Child erfundene Einzelkämpfer Jack Reacher eine der Kultfiguren des Thrillergenres. “Die Gejagten” ist bereits das 18. Abenteuer des schweigsamen und schlagkräftigen ehemaligen Militärpolizisten, der überall dort für Gerechtigkeit sorgt, wo es sonst niemand tun würde.

Irgendwie ist diesmal der Funke bei mir allerdings nicht so ganz übergesprungen. Vor allem mit “No Way Out” hat mich Reacher zu seinem Fan gemacht, auch “Der Anhalter” fand ich – bis auf den übertriebenen Showdown – gut gelungen. Dagegen ist dieses Buch ein wenig uninspiriert. Aber dennoch hat es mir Spaß gemacht.

Das aktuelle Buch ist also nicht das beste der Serie, dennoch würde ich es jedem empfehlen, der erwägt stattdessen auf den im Herbst anlaufenden Hollywoodfilm (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) zu warten. Denn bereits der erste Reacher-Film hat gezeigt, dass Cruise als Reacher eine glatte Fehlbesetzung ist. Cruise passt perfekt in die Mission-Impossible-Filme, diese Rolle ist ihm auf den Leib geschneidert, von Reacher hätte er jedoch die Finger lassen sollen. Schon allein der Unterschied bei der Körpergröße ist frappierend. Aber wenn es nur das allein wäre. Cruise funktioniert als Reacher einfach nicht.

Empfehlen will ich hier auch den Kommentar von Tobias Gohlis, einem ausgewiesenen Child-Fan, der sich in seinem Blog “Recoil” die interessante Frage stellt: “Was macht man aber als Autoren-Fan, wenn der Verehrte schwächelt?” Sehr lesenswert ist zudem der Meinungsaustausch mit Alf Mayer unten bei den Postings.

6 von 10 Punkten

Lee Child: “Die Gejagten”, übersetzt von Wulf Bergner, Blanvalet-Verlag, 448 Seiten, 20,60 Euro.

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Krimis, die man 2016 lesen sollte (VI)

(c) Heyne

(c) Heyne

Denise Minas “Das Vergessen” konnte mich im Vorjahr überzeugen. Auch “Die tote Stunde” (seit 13. Juni im Handel), der Mittelteil einer Trilogie, klingt vielversprechend – ich weiß bloß noch nicht, wann ich Zeit dafür haben werde. “Ein Roman, der von seiner dickköpfigen Heldin lebt”, schreibt darüber Marcus Müntefering auf “Spiegel Online”.

Der Verlag schreibt: Als die Journalistin Paddy Meehan einer häuslichen Auseinandersetzung nachgeht, öffnet ihr ein gut gekleideter Mann. Er versichert, dass alles in Ordnung sei. Bevor er die Tür wieder schließt, steckt er Paddy Geld zu. Tatsächlich wurde die Frau gefoltert und starb noch in dieser Nacht. Paddy bleiben nur wenige Tage, um die Wahrheit herauszufinden, bevor die Zeitung von der Bestechung erfährt und die Polizei die Ermittlungen aus ganz eigenen Gründen einstellt. Einzig Paddy lässt der düstere und grausame Fall nicht los, dessen Aufklärung einen Karrieresprung für sie bedeuten könnte – oder aber ihren Tod.

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp

In den 1970er Jahren wurde “Die drei Tage des Condors” mit Robert Redford in der Hauptrolle zu einem Filmerfolg. Der Film basierte auf dem gleichnamigen Buch des Autors James Grady, der nun seinen Condor mit “Die letzten Tage des Condor” (seit 13. Juni) wiederauferstehen lässt und in die Jetztzeit transportiert. Und wieder schwärmt Marcus: “Er schafft es, gleichermaßen old school und absolut auf der Höhe der Zeit zu sein.”

Ronald Malcolm alias Vin alias Condor ist zurück. Der einstige Whistleblower und spätere Top-Agent hatte die letzten Jahre in einem Irrenhaus der CIA verbracht und arbeitet jetzt in der Library of Congress in Washington. Routinemäßig wird er von der inzwischen neu gegründeten Homeland Security überprüft. Als einer deren Agenten tot in Condors Wohnzimmer gefunden wird, scheinen alle Geheimdienste hinter ihm her zu sein. Manche davon so geheim, dass niemand weiß, wer oder was sie überhaupt sind. Washington verwandelt sich in einen kafkaesken Bau, ständig von neuester Technologie überwacht. Nichts ist mehr harmlos, nichts ist unschuldig, nichts durchsichtig. Geschossen wird sofort und ohne Rücksicht auf Verluste. Der Condor und die CIA-Agentin Faye Dozier versuchen sich in Sicherheit zu bringen, aber vor wem eigentlich?

(c) Ullstein

(c) Ullstein

Auf Paolo Roversis “Schwarze Sonne über Mailand” (seit 17. Juni) bin ich ganz besonders gespannt. 2013 hat mich sein Krimi “Milano Criminale” zwar nicht so ganz begeistert, aber das Buch ist irgendwie haften geblieben – immer wieder muss ich daran denken. Das passiert mir sehr selten. Es kann also nicht so schlecht gewesen sein. Und ich stehe im Moment auch total auf Retro-Krimis dieser Art, die ein Stück in der Vergangenheit spielen.

Im Mailand der 1980er Jahre versuchen drei Gangster, die norditalienische Metropole in ihre Hand zu bekommen: der sizilianische Kleinganove Ebale, genannt Catanese, der als Dealer von endlos gestrecktem Koks anfängt. Faccia d’Angelo, der nach einem Banküberfall zum skrupellosen Bordell- und Glücksspielkönig aufsteigt. Und der blutjunge Roberto, der bei einem Raubüberfall einen Polizeibeamten tötet. Kommissar Antonio Sarti, ein junger Familienvater, setzt alles daran, den dreien das Handwerk zu legen. Und da alle drei Gangster im selben Teich fischen, ist es unausweichlich, dass ihr Aufstieg Rivalität und tödlichen Verrat mit sich bringt.

diegejagtenSeit ich im Vorjahr “Der Anhalter” gelesen habe, bin ich ein großer Fan von Lee Child bzw. seiner Kultfigur Jack Reacher. Seine Thriller mögen literarisch nicht besonders hochwertig sein, doch sie sind schlicht die perfekte Unterhaltung – ideal für den Sommerurlaub. Ein Muss für heiße Tage. Ach ja, und aus “Die Gejagten” (seit 27. Juni) wird im Herbst ein Film mit Tom Cruise: Ich gehöre zwar zu den wenigen, die Cruise durchaus mögen, aber als Jack Reacher ist er einfach eine glatte Fehlbesetzung. Also besser lesen als ins Kino gehen.

Jack Reacher betritt den Stützpunkt seiner ehemaligen Einheit bei der Militärpolizei, und ahnt nicht, was ihm bevorsteht. Er ist nach Virginia gereist, um seine Nachfolgerin Major Susan Turner kennenzulernen. Doch wenig später wird klar, was für ein großer Fehler es war, einen Militärstützpunkt zu betreten. Denn wie jeder ehemalige Soldat der USA ist Reacher Reservist. Prompt erhält er seinen Einberufungsbefehl und wird außerdem des Mordes angeklagt und verhaftet. Reacher gelingt die Flucht aus dem Gefängnis, doch seine wichtigste Frage bleibt zunächst ungeklärt: Wer versucht ihn auf diese Weise kaltzustellen?

 

(c) Rowohlt Polaris

(c) Rowohlt Polaris

Joakim Zanders Thrillerdebüt “Der Schwimmer” war mehr als solide. Nun legt er mit “Der Bruder” (seit 27. Juni) nach. Mal sehen, ob der Schwede sein Niveau halten kann.

Yasmine Ajam ist ihrer Vergangenheit und der rauen Stockholmer Trabantenstadt Bergort entflohen, sie arbeitet als Trendscout in New York. Doch eine alarmierende Nachricht lässt sie nach Jahren zurückkehren: Ihr jüngerer Bruder Fadi wird vermisst, angeblich ist er tot. Und in den Straßen der Vorstadt droht die Gewalt zu eskalieren – Autos brennen, Schlägertrupps sind unterwegs. Hat Fadis Verschwinden damit zu tun? Yasmine gibt die Hoffnung nicht auf, ihren Bruder lebend zu finden. Klara Walldéen forscht in London für eine renommierte Menschenrechtsorganisation. Im Vorfeld einer internationalen Sicherheitskonferenz wird ihr Computer gestohlen, kurz darauf kommt ein Kollege zu Tode. Dass ihre Arbeit brisant ist, weiß Klara. Aber wer könnte bereit sein, dafür töten? Die Spuren führen nach Schweden. In Stockholm begegnen sich die jungen Frauen: Beide auf der Suche nach der Wahrheit. Beide in höchster Gefahr.

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Lee Child: Der Anhalter

(c) Blanvalet

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Jack Reacher ist wieder – oder besser: noch immer – unterwegs. Sein letztes Abenteuer ist ihm noch im Gesicht anzusehen, weswegen er auch Schwierigkeiten hat, als Anhalter mitgenommen zu werden. Apropos mitnehmen: Mit “Der Anhalter” ist es Autor Lee Child gelungen, mich endlich auf den Jack-Reacher-Lesezug aufspringen zu lassen. Vor rund 15 Jahren war ich von diesem nach der damals enttäuschenden Lektüre von “Sein wahres Gesicht” nach nur einem Stopp gleich wieder abgesprungen. Ein Fehler, wie ich heute erkennen muss. Ich habe daher auch gleich im Urlaub “Way Out” gelesen, das mir noch besser gefallen hat.

Mit dem Einzelgänger Jack Reacher, einem ehemaligen Militärpolizisten, hat Child eine der spannendesten Figuren des modernen Thrillers erfunden. Reacher ist ein Kämpfer für Gerechtigkeit, um jeden Preis. Gesetze gelten für ihn nicht, er lebt nach seinem eigenen Kodex. Er ist nur mit den Sachen unterwegs, die er am Körper trägt. Er hilft Unterdrückten, egal wie aussichtslos die Lage auch sein mag. Und er hat kein Problem, die Bösewichte zu töten.

Die Spannung in “Der Anhalter” entsteht durch die kammerspielartige Situation in jenem Auto, dessen Insassen ihn mitnehmen. Im Auto sitzen zwei Männer und eine Frau. Reacher vermutet in ihnen Arbeitskollegen, doch schon bald wird sich zeigen, dass hier gar nichts ist, wie es scheint. Schließlich überschlagen sich die Ereignisse und Reacher steckt tief in einer Geschichte, die weit größere Dimensionen annimmt, als man zunächst vermuten möchte.

Child erzählt mit trockenem Humor und klarer, schnörkelloser Sprache. Er schweift nicht aus, sondern treibt seine Geschichten zielgerichtet voran. Fasziniert folgt man der außergewöhnlichen Beobachtungsgabe und weiteren Fähigkeiten Reachers (In “Way Out” schafft es Reacher, jederzeit ohne Uhr die genaue Uhrzeit anzusagen). “Ich bin einfach nur ein Kerl” sagt der fast zwei Meter große Hüne einmal. Dabei ist Reacher alles andere, wie er gerade im vorliegenden Buch beweist. Seinen Ein-Mann-Armee-Auftritt im alten Raketensilo am Schluss des Buches hätte sich Child aus meiner Sicht allerdings sparen können. Thomas Wörtche sieht das aber z.b. in seiner Leichenberg-Kolumne anders: “Die Mechanik des üblichen Shootouts, diesmal in einem alten, verrotteten Raketensilo aus dem Kalten Krieg, die Child nicht mehr besonders zu interessieren scheint, wird kreativ von der Szenerie und der kalten, kristallinen Atmosphäre überlagert.”

Dennoch, ich muss zugeben, Child hat mich voll erwischt. Klar, sehr realistisch ist das alles nicht, aber das macht nichts. Ich werde Jack Reacher bald wieder ein Stück seines endlosen Weges durch Amerika begleiten. Bleibt mir nur die Frage an alle Reacher-Fans: Welchen Teil sollte ich unbedingt lesen?

7 von 10 Punkten

Lee Child: “Der Anhalter”, übersetzt von Wulf Bergner, 445 Seiten, Blanvalet.

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Meine Urlaubslektüre: Kriminalliteratur mal vier

(c) Crimenoir

(c) Crimenoir

Kein Urlaub ohne gute Kriminalliteratur. Nein, das ist kein Lesestress, sondern Entspannung. Daher will ich diesmal auch nur kurz vermerken, was mich begeistert hat und was weniger.

Es begann mit Lee Childs “Way Out”. Ja, ich hatte mit Child eigentlich schon abgeschlossen, nachdem mich vor vielen Jahren “Sein wahres Gesicht” so gar nicht überzeugen konnte. Ich fand das damals ziemlich klischeehaft und platt. Noch kurz vor meinem Urlaub hatte ich “Der Anhalter” absolviert, Childs aktuelles Abenteuer, Band 17 der Jack-Reacher-Reihe. Laut amazon-Kritik düfte es das schwächste Buch der Reihe sein. Doch mir hatte es Geschmack auf mehr gemacht und so kaufte ich noch auf den letzten Drücker “Way Out”. Eine gute Entscheidung. Denn Child ist in seinem 10. Abenteuer noch besser in Form – bis zum Schluss. Dieser war bei “Der Anhalter” leider eher schwach, davor hatte mich aber auch dieses Buch gut unterhalten. Dieser Jack Reacher, der einsam und nur mit dem was er am Körper trägt, durch die USA reist, hat mich gepackt. Er sorgt für Gerechtigkeit – um jeden Preis. Ja, das ist bedenklich und so weiter – aber mir war es egal. Dabei dachte ich, Thriller seien nicht mehr so wirklich mein Ding. Doch “No Way” war die perfekte Urlaubslektüre – nicht zu anspruchsvoll, aber auch nicht niveaulos. Einfach spannend, mit trockenem Humor. Eine gute Mischung. Das ist große Schreibkunst. Fest steht, Lee Child steht demnächst wieder auf meinem kriminellen Leseplan, ich hätte am liebsten gleich noch einen Jack-Reacher-Roman verschlungen.

Danach folgte “Zurück auf Start” von dem griechischen Krimiautor Petros Markaris. Ich habe seinen Vor-Vorgänger “Zahltag” gelesen, den ich gut fand. Markaris gewährt uns eine einzigartige Innensicht von Griechenland. Sein Kommissar Kostas Charitos hat Charme, er ist ein Mensch wie du und ich. Er ist kein Ermittler, der knifflige Rätsel löst und so ziemlich das Gegenteil vom CSI-Superlabor-Wissenschafts-Wunderpolizisten. Ich habe im aktuellen Buch erfahren, dass Athen die aktuelle Krise brauchte, um endlich wieder staufreien Verkehr zu haben – denn niemand fährt mehr mit dem Auto, weil es sich niemand mehr leisten kann. Mit wenigen Szenen erzählt Markaris sehr viel. Allerdings ist mir die Krimi-Handlung bei ihm generell zu simpel gestrickt. Wie schon bei “Zahltag” geschehen drei Morde (bzw. Selbstmorde), ehe man dem Täter auf die Spur kommt, die auch wieder Botschaften hinterlassen. Das ist halt doch immer gleiche, sehr durchschaubare Schema. Letztlich ist dann egal, wer der Täter ist. Doch ich werde beim Lesen gern überrascht. Wer auf klassische Krimis steht, wird bei Markaris allerdings perfekt bedient.

“Angel Baby” von Richard Lange beginnt heftig. Man sollte sich aber von den ersten zwei, drei Seiten nicht abschrecken lassen. Langes US-mexikanisches Drogendrama hat mich, im Gegensatz zu Markaris, immer wieder echt überrascht. Er hat einen facettenreichen und fesselnden Kriminalroman mit vielen tragischen Figuren geschrieben. Das ist durchaus düsterer Stoff, mit faszinierenden (Anti-)Helden. Da steckt schon viel unter die Haut gehender Noir drin, bloß gegen Ende hin wird es dann ein wenig kitschig. Es ist zwar kein reines Happy End, aber es ist doch eine kleine Enttäuschung.

(c) crimenoir

(c) crimenoir

Sehr interessant war es, abschließend Don Winslows Frühwerk “London Undercover” zu lesen. Das Buch hat mir eines bewiesen: Winslow ist einer der vielseitigsten Schreiber guter Kriminalliteratur. Wer “Tage der Toten” oder zuletzt “Das Kartell” gelesen hat, wird sich schwer tun, diesen Autor mit “London Undercover” in Verbindung zu bringen. Winslows Neal-Carey-Reihe ist weit entfernt von Winslows schmerzhaftem Hyperrealismus seiner erwähnten Drogenepen. Das liest sich eher wie ein Trevanian-Kriminalroman (den Winslow ja laut “Satori”-Nachwort durchaus als Vorbild sah) oder sogar ein wenig wie ein Tim-und-Struppi-Abenteuer. Das ist nicht abwertend gemeint: Da gibt es einfach wirklich absurde Szenen, die einen zum Lachen bringen. Dass Winslow auch die Surferromane um Boone Daniels sowie die experimentellen Drogen-Krimis “Zeit des Zorns” und “Kings of Cool” geschrieben hat, ist eigentlich unglaublich. Er erfindet sich immer wieder neu. Ich finde das in einer Literaturwelt, die zunehmend auf Bewährtes und Erfolgreiches setzt, sehr beachtlich und bewundernswert. Mag sein, dass er seine besten Kriminalromane schon geschrieben hat, aber ideenloser Mainstream sieht anders aus.

 

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Krimis, die man 2015 lesen sollte (VI)

(c) Polar

(c) Polar

Hiermit hole ich die – aus meiner persönlichen Sicht – interessantesten Krimi-Neuerscheinungen des Monats Juni nach. Ein Buch ragt dabei für mich heraus: Der in Vergessenheit geratene Krimi-Klassiker “Cutter und Bone” von Newton Thornburg. Ich war schon knapp davor, mir die amerikanische Originalversion zu kaufen, ehe ich vor Monaten begeistert erfuhr, dass ausgerechnet der von mir hochgeschätzte Kleinverlag Polar das Buch nach Jahren endlich wieder auf Deutsch – mit einem Vorwort von Thomas Wörtche – herausbringt.

Der Verlag schreibt: Es gibt keine Garantie für Gerechtigkeit. Santa Barbara in den frühen 1970ern. Richard Bone, der seine Frau und seine Kinder verlassen hat, um sich mit dem Verführen reicher Touristinnen durchs Leben zu schlagen, beobachtet eines Nachts, wie eine Leiche in einem Mülleimer entsorgt wird. Als er am nächsten Tag das Foto des Redneck-Millionärs J.J. Wolfe in der Zeitung sieht, glaubt er, den Mörder wiederzuerkennen. An der Seite seines Freundes Cutter, einem zynischen, versehrten Vietnamveteranen, beginnt die Jagd auf einen Mörder, der sie bis in die Ozarks führen wird.

(c) Heyne Hardcore

(c) Heyne Hardcore

Ebenfalls vielversprechend klingt Jim Thompsons “Südlich vom Himmel”. Das Besondere: Diesmal handelt es sich um eine deutsche Erstausgabe – noch dazu mit einem Nachwort von Friedrich Ani. Ich habe vor 15-20 Jahren “Zwölfhundertachtzig schwarze Seelen” gelesen und war damals, das muss ich zugeben, wenig angetan. Seitdem – damals steckte ich in einer intensiven Thrillerphase –  hat sich mein Leseverhalten aber ziemlich geändert. Ich möchte Thompson daher unbedingt wieder lesen.

Südlich vom Himmel: Für die einen ist das die Hölle, für andere die harten Ölbohrarbeiten unter der Sonne von Texas. So eine Geschichte erzählt der junge Tommy Burwell, der bei einer Ölgesellschaft anheuert. Für Tommy beginnt eine harsche Zeit, denn sein alter Kumpel Four Trey Whitey setzt ihn für Sprengarbeiten ein. In diesem von hemmungsloser Gewalt geprägten Milieu muss Tommy sich seinen Platz erkämpfen. Er lebt ein Leben in Blut, Schweiß und Tränen. Als die Brüder seiner Freundin Carol planen, die Lohnkasse zu rauben, wird es eng für Tommy …

(c) Blanvalet

(c) Blanvalet

Tja, und dann gibt es dann noch so einen Autor, den ich eigentlich schon abgehakt hatte. Lee Child konnte mich vor Jahren mit “Sein wahres Gesicht” ebenfalls nicht überzeugen. “Der Anhalter”, der 17. nun auf deutsch erschienene Band rund um Kultfigur Jack Reacher, hat mich – ich habe das Buch bereits ausgelesen – wider Erwarten voll gepackt. Ich habe gleich darauf im Urlaub noch einen Reacher (“Way Out”, Band 10) gelesen. Interessanterweise schneidet “Der Anhalter” bei den amazon-Bewertungen so schlecht ab wie kein anderer Reacher-Roman. Ich bin also momentan ein wenig verwirrt: Was kann ich von meinen früheren Urteilen halten? Oder war “Sein wahres Gesicht” einfach schlecht? Und warum hat mich ausgerechnet “Der Anhalter” bei all seinen Schwächen dennoch perfekt unterhalten? Aber dazu bald mehr!

Jack Reacher bemühte sich, harmlos auszusehen, was ihm mit seiner großen, massigen Gestalt und der gebrochenen Nase nicht leicht fiel. Umso dankbarer war er, als endlich ein Auto hielt, um ihn mitzunehmen. Die Frau und die beiden Männer im Wagen waren offensichtlich Kollegen, zumindest schloss Reacher das aus ihrer einheitlichen Kleidung. Er wusste nichts von ihrer Verwicklung in den Mord, der nicht weit entfernt verübt worden war. Für die Insassen des Wagens war Reacher nur eine Möglichkeit, die Polizei von sich abzulenken. Sie ahnten nicht, wer bei ihnen im Auto saß. Schließlich sah Reacher aus wie ein harmloser Anhalter …

(c) Droemer

(c) Droemer

Und dann muss ich hier auch noch Don Winslows “Das Kartell” erwähnen, das ich ja zuletzt hier besprochen habe. Aber eine Juni-Liste ohne Winslow erscheint mir irgendwie unvollständig.

Sie waren mal beste Freunde. Aber das ist viele Jahre und unzählige Tote her. Der Drogenfahnder Art Keller tritt nun an, um Adán Barrera, dem mächtigen Drogenboss, für immer das Handwerk zu legen. Er begibt sich auf eine atemlose Jagd und in einen entfesselten Krieg, in dem die Grenzen zwischen Gut und Böse schon längst verschwunden sind: Eine wahrhaft erschütternde, genau recherchierte Geschichte über die mexikanisch-amerikanischen Drogenkriege, über Gier und Korruption, Rache und Gerechtigkeit, Heldenmut und Hinterhältigkeit.

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