Monthly Archives: July 2014

Krimis, die man 2014 lesen sollte (VII)

(c) Knaur

(c) Knaur

Wer das Krimi-Debüt “Crime Machine” von Howard Linskey gelesen hat, wird wohl nicht darum herumkommen, auch den zweiten Band der Serie rund um den Verbrecher David Blake zu lesen. “Gangland” (seit 1. Juli im Handel) setzt dort fort, wo Band eins aufgehört hat. Blake ist nun zum Verbrecherkönig von Newcastle aufgestiegen und muss sein Imperium verteidigen. Zusätzliches Plus: “Gangland” ist von Conny Lösch übersetzt – da kann normalerweise nichts schiefgehen.

(c) Pulp Master

(c) Pulp Master

Gute Nachrichten vom kleinen, aber umso feineren Verlag Pulp Master: Endlich liegt ein neuer Pulp-Krimi vor. “Der Krake auf meinem Kopf” (seit 7. Juli erhältlich) von Jim Nisbet verspricht eine Noir-Perle zu sein, die uns laut Verlagstext in “ein von Profitgier verwüstetes Kalifornien der Neunziger” entführt, “in dem sich die Ideale eines gesellschaftlichen Aufbruchs längst in Agonie befinden und wo eine emotionale Wüste entstanden ist, unbewohnbar wie der Mond.” Ich bin schon sehr gespannt. Dieses Buch ist Pflicht.

(c) Haffmans Tolkemitt

(c) Haffmans Tolkemitt

Flore Vasseurs “Kriminelle Bande” (seit 9. Juli im Regal) könnte ebenfalls ein Highlight sein. Die Französin, selbst Absolventin der Elite-Uni HEC, schreibt über Absolventen dieser Pariser Talenteschmiede, die in Politik, Wirtschaft und Journalismus landen. Es geht um Geld, Macht, Politik und plötzlich um das eigene Leben, wie im Verlagstext steht. Angeblich schreibt Vasseur “erschreckend nah an der Realität”.

(c) Tropen

(c) Tropen

Eine interessante Alternative könnte auch Johanna Sinisalos “Finnisches Feuer” (seit 19. Juli erhältlich) sein. Der Verlagstext: “Die beiden Schwestern Vera und Mira wollen sich nicht weiter einem Frauen verachtenden Regime im Finnland der nahen Zukunft unterordnen. Vera kommt über einen Geliebten in Kontakt mit einer Untergrundgruppe, die heimlich Chili anbaut. Die Schoten sind nicht nur eine Droge: Mit ihrer Hilfe kann man in den Kopf anderer Menschen schlüpfen.” Das klingt doch mal schräg und könnte gleichzeitig eine gute Portion Spannungslektüre bieten.

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André Georgi: Tribunal

(c) Suhrkamp

(c) Suhrkamp

André Georgis Thriller-Debüt “Tribunal” hat vier übergeordnete Kapitel, wobei das letzte eigentlich ein Epilog ist. Der stärkste Teil ist für mich zweifellos der erste, in dem es sich um das Attentat auf einen wichtigen Kronzeugen des Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag dreht. Gekonnt holt Georgi seine Leser ins Buch. Aber: Der zweite Teil ist okay und der dritte nur “naja”. Ich will hier nicht ins Detail gehen, weil ich inhaltlich zu viel verraten müsste. Aber das Buch hält nicht, was es zu Beginn verspricht.

Sprachlich weiß Georgi, der auch Drehbücher für “Bella Block” und “Tatort” geschrieben hat, zu überzeugen. Ich mag seinen Stil: Er schreibt präzise, mag kurze Sätze und ist vielleicht ein wenig zu ernst. Ja, das klingt jetzt bei einem Thriller über die Gräuel des Balkankrieges ein wenig seltsam – aber vielleicht ist das Thema auch der Grund für seinen trockenen, eher distanzierten Erzählstil. So ganz nah kommt einem die Hauptfigur Jasna Brandic, die Topermittlerin des Tribunals, nicht.

Aber vor allem inhaltlich gehen Georgi leider die Ideen aus, dafür fließt das Blut dann umso reichlicher: Zweiteres ist wohl durch ersteres bedingt. Gerade was er im dritten Teil bietet, hat man so und besser schon unzählige Male gelesen. Natürlich könnte man jetzt sagen, so geht es nun am Balkan zu, da gibt es nichts zu beschönigen, der ist seit Jahrhunderten so – aber das ist mir zu einfach, zu klischeehaft. Auch einige Wendungen sowie Enthüllungen über Jasnas Familiengeschichte waren mir dann zu weit hergeholt.

Die KrimiZeit-Jury sieht das übrigens anders. Auf der aktuellen Liste befindet sich “Tribunal” auf Rang 3. Aber zumindest waren Nicole von mycrimetime und ich uns bei diesem Buch nahezu einig (zuletzt eine Seltenheit ;-)). “Georgi übertreibt es meiner Meinung nach mit dem Gemetzel ein wenig”, schreibt auch sie. Und Sonja von zeilenkino fasst ziemlich gut zusammen, woran es auch aus meiner Sicht hakt: “(…) die komplexe psychologische Situation wird nicht erkundet, sondern André Georgi bleibt bei äußeren Ereignissen, bei Folter und einer minutiös geschilderten Verfolgungsjagd, deren Ende bereits Seiten vorher verraten wurde.” Sie bezeichnet das Buch als soliden Pageturner, der voll verschenkter Möglichkeiten steckt. Ja, genau.

6 von 10 Punkten

André Georgi: “Tribunal”, 317 Seiten, Suhrkamp.

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Marc Elsberg: Zero

(c) Blanvalet

(c) Blanvalet

Dem Österreicher Marc Elsberg ist mit dem Energiethriller “Blackout” ein Sensationserfolg gelungen: Über 600.000 Exemplare davon wurden im deutschsprachigen Raum verkauft. Meine Vorfreude auf sein neues Buch “Zero” war daher groß. Ich habe Elsberg im Vorfeld der Lektüre auch interviewt und finde sein Buch inhaltlich sehr wichtig und brisant. Denn wir werden nicht nur von Geheimdiensten – wie jeder spätestens seit den Enthüllungen von Edward Snowden weiß – abgehört und überwacht. Das Wirken der sogenannten Datenkraken, das er in “Zero” beschreibt, ist vor allem deswegen so erschreckend, weil kein wirkliches Bewusstsein darüber besteht. “Wir sind nicht nur gläsern, sondern auch vorhersehbar für viele Unternehmen”, ist sich Elsberg sicher. Schon allein deshalb wünsche ich Elsberg viele Leser. Sein Buch ist bewusstseinsbildend.

In meiner ausführlichen Kritik in der “Presse” schildere ich aber auch, warum mir Elsbergs Buch nicht nur Lesefreude bereitet hat. Denn als Erzähler kann er diesmal nicht überzeugen: “Zu sehr ist er bemüht, jedes wissenswerte Detail in die Handlung zu pressen. Darunter leiden Dialoge und Figuren. Erstere dienen allzu oft dem Zweck, Botschaften zu vermitteln und Dinge zu erklären. Sie wirken dadurch oft bemüht. Seine Figuren sind eindimensional gezeichnet und bleiben blass. Teilweise kratzen sie am Kitsch.” Ein Beispiel: Als sich die über 40-jährige Cynthia, Mutter einer Tochter im Teenageralter, in einen indischen IT-Forensiker verliebt, liest sich das so: “In seinen dunklen Augen kann Cyn nicht lesen, aber das will sie auch gar nicht. Versinken möchte sie darin. Seine Haut schimmerte in der Farbe ewigen Sommers.” Und wenn ich zum cirka zwanzigsten Mal den Satz “Willkommen in Paranoia” lese, werde ich unrund. Als mündiger Leser verstehe ich die Botschaft auch so.

Literarische Erwartungen muss man also leider zurückstellen (da greift man besser zu Tom Hillenbrands “Drohnenland”). Vielleicht hilft es, “Zero” als in Romanform gegossenes Sachbuch begreifen.

Tja, das ist meine Meinung. Ich will hier wohlmeinende Stimmen aber nicht vorenthalten: Der geschätzte “Kaffeehaussitzer” meint in seinem Blog: “Was dieses Buch absolut lesenswert macht ist die Tatsache, dass es kein Sciencefiction-Roman ist, auch wenn es manchmal so klingt. Nein, die Handlung spielt heute, im Hier und Jetzt, im Jahr 2014. Sämtliche geschilderten technischen Möglichkeiten gibt es schon, auch wenn sie noch nicht alle so flächendeckend eingesetzt werden. Wir hinterlassen unaufhörlich Spuren im Netz, die gesammelt, ausgewertet und zusammengefügt werden können. Algorithmen kontrollieren unser Verhalten – das beginnt schon bei jeder Google-Suche, deren Ergebnisse individuell aus den früheren Sucheingaben errechnet werden.”

Und Elmar Krekeler lobt in seiner Kolumne in der “Welt”: “Elsberg ist ein gnadenlos effektiver Erzähler, seine Sprache spannt sich über den Plot wie das Trikot über den Oberkörper eines uruguayischen Angriffsspielers. Das ist spannend, da fehlt jeder poetische Fettansatz.”

Es ist wohl dieser “poetische Fettansatz” (eine geniale Formulierung übrigens!), der mir gefehlt hat. Daher:

5 von 10 Punkten

Marc Elsberg: “Zero”, 480 Seiten, Blanvalet.

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KrimiZeit-Bestenliste Juli: Ein Abgleich

(c) Blessing

(c) Blessing

Jetzt ist meine Krimi-Pause doch länger geworden, als ich dachte. Doch über zwei Wochen onlinefreie Zeit hat vieles für sich. Unter anderem kann man viel Spannungsliteratur lesen! Also für alle, die sich schon gewundert haben: Ab sofort gibt es hier wieder reichlich Inhalt.

Gleich zu Beginn hole ich mal meinen allmonatlichen KrimiZeit-Abgleich nach. Im Juli hat es ein neues Buch an die Spitze geschafft: Olen Steinhauers “Die Kairo-Affäre”, das meine geschätzte Kollegin Doris Kraus in der “Presse” besprochen hat. Ihr Urteil: “Das wirklich Bedrohliche an „Die Kairo-Affäre“ aber ist, dass sie die Spionagewelt von einst auf den Kopf stellt. Hier hat man es nicht mehr mit Alleskönnern zu tun, die zwar böse, dafür aber wenigstens brillant waren, sondern mit dem personifizierten menschlichen Makel: wahrscheinlich einfach mit der Realität, in der nicht nach Computerlogik gearbeitet wird, sondern mit „Rückenschmerzen und Hämorrhoiden“, wie ein hochrangiger CIA-Agent seinen Berufsalltag beschreibt.” Ich habe ja Steinhauers Auftakt zur Milo-Weaver-Serie “Der Tourist” gelesen, ein ziemlich starkes Buch. Die Jury hat zweifellos eine gute Wahl getroffen.

Sehr fein finde ich, dass Tom Hillenbrand mit “Drohnenland” auf Platz zwei vorgerückt ist. Dass Georgis Tribunal ebenfalls unter den Top-3 gelandet ist, verstehe ich da schon etwas weniger. Meine Begründung dafür gibt es hier demnächst. Und ebenso übrigens dafür, warum McKinty mit “Die Sirenen von Belfast” schon wieder ein literarischer Volltreffer gelungen ist.

Mit “Roter Mond” und “In Almas Augen” halten sich zudem zwei weitere Bücher in der Bestenliste, die ich ebenfalls nur nachdrücklich empfehlen kann.

Mein quantitatives Fazit: Fünf der zehn Bücher habe ich gelesen.

Die Liste im Überblick:

  1. Olen Steinhauer: “Die Kairo-Affäre” (-)
  2. Tom Hillenbrand: Drohnenland (5)
  3. André Georgi: “Tribunal” (10)
  4. Adrian McKinty: “Die Sirenen von Belfast” (-)
  5. Anne Goldmann: “Lichtschacht” (-)
  6. Leonardo Padura: “Ketzer” (4)
  7. Benjamin Percy: “Roter Mond” (6)
  8. Daniel Woodrell: “In Almas Augen” (9)
  9. Oliver Bottini: “Ein paar Tage Licht” (1)
  10. Ross Thomas: “Fette Ernte” (2)

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