Monthly Archives: June 2021

Rudolf Ruschel: “Ruhet in Friedberg”

(c) btb

Ich bin nicht der größte Fan jener Gattung österreichischer Kriminalromane, die viele mit dem typischen österreichischen Krimi gleichsetzen: Humorig, mit Schmäh, schräg und am besten im Dialekt, die Handlung eher sekundär bis tertiär. Als also Rudolf Ruschels “Ruhet in Friedberg” in meinen Händen landete, war ich zu Beginn durchaus skeptisch. Zumal auch der Vergleich mit “Pulp Fiction” strapaziert wurde.

Worum es geht? Andi und Fipsi sind Aushilfen beim Bestatter im Provinznest Friedberg. Als ein Sarg bei einem Begräbnis doppelt so viel wiegt wie normal, ist es mit der Geruhsamkeit vorbei. Lässt hier jemand heimlich Leichen verschwinden? Und wer?

Nach der Lektüre, die mittlerweile ein Jahr zurückliegt (irgendwie habe ich es verabsäumt, diesen Beitrag, der schon lange angelegt war, auch “live” zu stellen), war ich aber durchaus angetan. Ruschel reiht sich mit seinem Debüt nahtlos in die oben erwähnte Riege erfolgreicher österreichischer Krimiautoren ein, deren eigentlicher Trumpf der Humor ist. Und man muss sagen: Thomas Raab, Stefan Slupetzky, Heinrich Steinfest & Co. haben ernsthafte (kann man das jetzt so schreiben?) Konkurrenz erhalten. Denn der Autor verflicht schräge Einzelschicksale gekonnt zu einer amüsanten Krimi-Melange.

Rudolf Ruschel: “Ruhet in Friedberg”, btb Verlag, 302 Seiten.

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Sabina Naber: Leopoldstadt

(c) Emons Verlag

“Mein Kind is ein deppertes, in seinem Hirn, da scheppert es.” Ich muss zugeben, dieser Satz, zugleich der erste in Sabina Nabers Kriminalroman “Leopoldstadt”, war der Grund, warum ich dieses Buch impulsiv gekauft habe. Es ist ein typisch wienerischer Spruch, den ich aus meiner Kindheit kenne.

Manchmal sind solche impulsiven Entscheidungen nicht die besten, in diesem Fall hat sich der Kauf aber echt gelohnt. Ich war schon immer wieder knapp davor, zu einem Buch der Autorin zu greifen. Irgendetwas hielt mich aber immer zurück. Doch dieser Satz, der auch ein wenig Heimat bzw. Kindheit bedeutet, hat mich endlich dazu bewegt.

Zum Glück! Denn auch wenn Naber nicht ganz so weit zurückreist, wie ihre Schriftstellerkollegin Alex Beer, die Leser und Kritiker mit ihren in den 1920er-Jahren in Wien angesiedelten Kriminalromanen (“Der zweite Reiter”, “Die rote Frau”) überzeugt, so bietet auch sie eine überzeugende Zeit- bzw. Lesereise an, wenn sie Chefinspektor Wilhelm Fodor 1966 im Fall eines ermordeten ehemaligen Besatzungssoldaten ermitteln lässt.

Sie schafft es, ein Wien vergangener Zeit wiederauferstehen zu lassen – mit viel Schmäh, Lokalkolorit und Charme. Manchmal haben mir die Protagonisten zwar zu oft eine Zeitung in der Hand, um das Zeitgeschehen von damals zu vermitteln, aber letztlich ist Naber nicht die erste, die diesen Stilgriff macht.

Mutig finde ich, dass sie auch nicht davor zurückschreckt, den Begriff “Neger” zu verwenden – aus Gründen der Authentizität, wie sie im Nachwort erklärt. Der Begriff war in den 1960er Jahren in Wien allgemein gebräuchlich, “er wurde von Befürwortern der Gleichberechtigung Schwarzer und von Rassisten gleichermaßen verwendet”.

Nach “Eine Melange für den Schah” ist das vorliegende Buch übrigens Fodors zweiter Fall, was Hoffnung auf eine weitere außergewöhnliche Krimiserie macht. Einen Folgeband werde ich sicher lesen.

7 von 10 Punkten

Sabine Naber: “Leopoldstadt”, Emons Verlag, 319 Seiten.

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