Was soll ich zu Adrian McKinty noch sagen? Er ist der momentan vielleicht beste Autor von Kriminalromanen. “Rain Dogs” fügt sich perfekt in seine geniale Sean-Duffy-Reihe ein. Das Buch hat mich zwar nicht ganz so umgehauen wie der Vorgänger “Gun Street Girl”, aber “McKinty liefert immer”, wie so passend auf der Rückseite steht. Mich fasziniert diese Stabilität, mit der McKinty Qualität abliefert. Dieser Typ hat es einfach drauf.
Und er pfeift sich nichts um Genre-Normen und Das-muss-man-so-machen-um-erfolgreich-zu-sein. Er macht einfach sein ganz eigenes Ding. Sein nächster Sean-Duffy-Roman etwa heißt im Original “Police at the Station und they don’t look friendly”. Das ist eine Textzeile aus einem Tom-Waits-Song, wie übrigens auch alle anderen Original-Titel der Sean-Duffy-Serie. Dieser Autor bringt seinen Verlag bestimmt zur Verzweiflung: So kann man einen Kriminalroman doch nicht betiteln! Das muss kurz und knackig sein, das muss fetzen. McKinty verstößt da gegen alle Erfolgsregeln und ist wohl deshalb so erfolgreich.
McKinty baut sich mit der Sean-Duffy-Serie ein eigenes Nordirland der 1980er Jahre – kein geschöntes, aber fast schon poetisches Nordirland. Seine Bücher sind reich an Zitaten und popkulturellen Anspielungen. Er mischt etwa in “Rain Dogs” historische Fakten mit historischen So-hätte-es-sein-Können-wenn-Muhammed-Ali-in-Belfast-gewesen-wäre-Variationen. Er schreibt Bücher, die ihm Spaß machen – und offenbar auch immer mehr Lesern.
Ich kann mir auch nur wenige Autoren vorstellen, die bewusst – mit nur einem Buch Abstand dazwischen – ihren Ermittler zwei Mal in ihrer Karriere vor einem “Locked Room Mystery” stehen lassen. Doch McKinty thematisiert das ganz bewusst und kratzt elegant die Kurve. Die Lösung des Rätsels ist überzeugend, es wirkt nicht abgeschmackt, er ist eben ein Meister seines Faches. Er ist in seinem Genre verwurzelt, schreibt aber doch viel mehr als simple Kriminalromane. Es sind beeindruckende Gesellschaftsporträts und wohl auch immer wieder kleine McKinty-Selbstporträts. Er kann hemmungslos seine Lieblingssongs einfließen lassen und böse U2- und Depeche-Mode-Witze (wie mittlerweile einige wissen: Ich bin großer Depeche-Mode-Fan) machen:
“Was ist der Unterschied zwischen einer Platte von U2 und einer vollgeschissenen Hose? … Wenn man sich einscheißt, stinkt man zwar, kommt aber wenigstens mit dem Selbstekel klar”, sagte ich.
“Ach, Sir, das ist doch nur ein aufgewärmter Depeche-Mode-Witz”, beklagte er sich.
Fragen-und-Antwort-Bögen per E-Mail nimmt er meist nicht ernst – auch dann nicht, wenn sie über Standard-Formulare hinausgehen, wie folgendes Beispiel, das auf seinem Blog zu finden ist, zeigt:
q) How do you work? Do you have a special writing place?
a) I write in the shower. Its not a very productive place to work and I’ve ruined many a laptop but at least I come out clean.
Das kann man überheblich und unmöglich finden – oder amüsant. Wie muss es schließlich einem Autor gehen, der ständig mit Fragebögen bombardiert wird? Ich habe selbst einmal von Joe Lansdale eher lieblose E-Mail-Antworten erhalten. Das hat mich im ersten Moment geärgert, aber mittlerweile kann ich das verstehen. Zudem waren auch meine Fragen wohl nicht so berauschend anders, wie ich mir das gewünscht hätte. Das ist eben etwas ganz anderes als ein Interview.
Alles in allem bleibt mein Fazit: Lesen!
P.S: Der sechste Band der Duffy-Serie, “Dirty Cops” (“Police at the Station and they don’t look friendly”), erscheint im Februar 2018 (ich bin gespannt, ob es bei dem vorläufigen Cover bleibt).
8 von 10 Punkten
Adrian McKinty: “Rain Dogs”, übersetzt von Peter Torberg, 404 Seiten, Suhrkamp.