Tatatataaa!! Zum Anfang des Jahres präsentiere ich hier meine persönliche Top-10-Liste 2013, die ganz stark von meiner Vorliebe für angelsächsische Kriminalliteratur geprägt ist. 2012 musste ich mir vorwerfen lassen, keine einzige Frau auf der Liste zu haben – zumindest das ist diesmal nicht der Fall 😉
Ich habe auch einige deutschsprachige Krimis gelesen, aber nur der “Quote” wegen konnte ich jetzt keinen davon in meine Liste stopfen. Es ist eben, wie gesagt, eine sehr persönliche Liste und vielleicht hilft sie ja dem einen oder der anderen bei der Wahl neuen Lesestoffs. Ich hoffe es zumindest.

(c) Manhattan
Platz 10: Ian Rankin: “Mädchengrab”
17 Mal ließ Rankin den rüpelhaften und unorthodoxen Polizisten John Rebus, dem Dienstvorschriften ein Gräuel sind, ermitteln. Dann schickte er ihn in Pension und erschuf eine neue Figur. Mit “Mädchengrab” kehrt Rebus nach fünfjähriger Pause nun aber wieder zurück. Und das ist gut so. Das Buch mag zwar nicht sein Meisterwerk sein, aber aus der Krimi-Publikationsflut strahlt es immer noch wie ein Leuchtturm hervor.

(c) Liebeskind
Platz 9: Pete Dexter: “Paperboy”
Im Zentrum der Geschichte stehen die Jungjournalisten Ward James und Yardley Acheman, die versuchen, die Unschuld des zu Tode verurteilten Hillary van Wetter zu beweisen. Gelingt ihnen das, winkt der begehrte Pulitzerpreis. Dexter hat einen desillusionierenden, atmosphärisch dichten und fesselnden Roman über die Beugung der Wahrheit geschrieben. Dexters Sprache ist präzise und schnörkellos. Gewinner wird es am Ende keinen geben – außer dem Leser.

(c) Tropen
Platz 8: Joe R. Lansdale: “Dunkle Gewässer”
Mit der Suche nach dem versteckten Geld aus einem Bankraub beginnt die Odyssee von Sue Ellen und ihren Freunden in Joe R. Lansdales “Dunkle Gewässer”. Sein Buch ist eine bluttriefende Noir-Interpretation von Mark Twains Klassiker “Huckleberry Finn”. Was mich an “Dunkle Gewässer” am meisten begeistert hat, ist die Erzählkraft des Autors. Er versteht es, Bilder zu schaffen, mit Sprache kreativ umzugehen und Charaktere innerhalb nur weniger Seiten so zu erschaffen, dass man sie lange bei sich behält.

(c) S. Fischer
Platz 7: J. R. Moehringer: “Knapp am Herz vorbei”
Einfühlsames Porträt des legendären US-Bankräubers Willie Sutton und gleichzeitig subtile Abrechnung mit dem Bankensystem. Moehringer räumt auch mit dem Mythos der goldenen Zwanzigerjahre auf. “Das Jahrzehnt hat mit einer Depression angefangen und mit einer Depression aufgehört, und dazwischen gab es viele nervenaufreibende Tage”, sagt Sutton einmal. Moehringer hat ein außergewöhnliches Porträt geschrieben, das aber auch reine Fiktion sein könnte. Das gibt Moehringer in einer Anmerkung auch zu: “Dieses Buch ist meine Vermutung. Und zugleich mein Wunsch.” Fakten und Fiktion sind nicht voneinander zu trennen.

(c) suhrkamp
Platz 6: William Shaw: “Abbey Road Murder Song”
Im London des Jahres 1968 ist es absolut unüblich, dass Polizistinnen ermitteln und eigene Theorien äußern. Sie dürfen nicht einmal das Dienstfahrzeug steuern. Auch Rassismus prägt das Leben in der Stadt. Die Beatles stehen stellvertretend für jenen Umbruch, zu dem viele Menschen noch nicht bereit sind. Shaw schreibt atmosphärisch dicht und hat eines der charmantesten Ermittlerpaare der modernen Kriminalliteratur geschaffen. Übersetzt von meiner Lieblingsübersetzerin Conny Lösch!

(c) suhrkamp nova
Platz 5: Cathi Unsworth: “Opfer”
Gekonnt erzählt die Autorin auf zwei Zeitebenen von den Geschehnissen rund um einen vermeintlichen Ritualmord in den 1980er-Jahren und dessen Enträtselung knapp 20 Jahre später. Neben den Leiden des Erwachsenwerdens geht es aber auch um das korrupte System einer Kleinstadt, das Unsworth gekonnte seziert. Denn vieles ist in “Opfer” nicht so, wie es scheint. Schicht für Schicht kratzt Unsworth der nur vordergründig idyllischen Stadt ihren Lack ab. Was bleibt, ist wenig glanzvoll.

(c) Tropen
Platz 4: Patrícia Melo: “Leichendieb”
“Brazilian Breaking Bad” – so könnte man das Buch auch nennen. Melo erzählt die Geschichte eines absolut unmoralischen Mannes, der sich keiner Ausrede zu schade ist, um sein längst nicht mehr zu rechtfertigendes Handeln schönzureden. Er wird zum Verbrecher, will aber weiter der gute Mensch von nebenan sein. Das liest sich erfrischend grotesk. Es ist unglaublich, wie viele wahnwitzige Wendungen die Autorin in die Geschichte packt. Zudem entlarvt Melo nicht nur den Erzähler als scheinheiligen Heuchler, sondern kritisiert gleichzeitig auch das flächendeckende korrupte System, das sich in Brasilien ausgebreitet hat. Dieses macht nicht einmal halt vor den Toten. Denn Korruption kennt keine Pietät.

(c) Galiani Berlin
Platz 3: Christopher Brookmyre: “Die hohe Kunst des Bankraubs”
Gleich zu Beginn lässt der Autor Mafioso Harry in Mexiko ein politisch unkorrektes, aber hoch ökonomisches Plädoyer für den Blowjob halten: “Du brauchst ihre Dienste, sie braucht dein Geld und keiner tut so, als ginge es um irgendwas anderes. Kein Branding, kein Leitspruch, keine Kundenkarte.” Dass Brookmyre das Schreiben Spaß macht, merkt man auf jeder Seite. “Die hohe Kunst des Bankraubs” ist zweifellos einer der unterhaltsamsten Krimis des Jahres.

(c) Diogenes
Platz 2: Dennis Lehane: “In der Nacht”
80 Jahre nach Abschaffung der Prohibition in den USA erzählt Lehane die Geschichte von Joe Coughlin, der in Florida zum mächtigsten Rum-Schmuggler seiner Zeit aufsteigt. Der Autor hat ein Gangster-Epos allerhöchster Güte geschrieben, das der kniffligen Frage nachgeht, ob es zwischen “Gesetzlosen” und “Gangstern” einen Unterschied gibt. Lehane erzählt eine bereits oft erzählte Geschichte so fesselnd, dass man niemals meint, er wandere auf abgetretenen Pfaden. Er versucht nicht, zwanghaft innovativ zu sein, sondern Altbekanntem neue Seiten abzugewinnen.

(c) Suhrkamp Nova
Platz 1: Adrian McKinty: “Der katholische Bulle”
McKinty schreibt schnörkellos und mit trockenem Humor. Er wird von Buch zu Buch besser. Gekonnt und atmosphärisch dicht erzählt er von einem Nordirland im Ausnahmezustand. Es ist das Jahr 1981. Immer wieder erzählt McKinty in nur wenigen Zeilen viele kleine Geschichten, ohne aber die eigentliche Geschichte aus dem Auge zu verlieren. Seine Charaktere berühren, weil sie lebensecht sind. Da gibt es keine Superhelden und keine Superschurken – kein simples Gut und Böse. Teil zwei der Serie (“Die Sirenen von Belfast”) rund um den Polizisten Sean Duffy erscheint im Mai 2014!