Monthly Archives: November 2019

John le Carré: Federball

(c) Ullstein

Ich muss zugeben, ich war nie ein großer Fan von John leCarré. Mir waren seine Bücher stets zu trocken, zu langatmig, zu moralisierend. Da habe ich lieber Frederick Forsyth gelesen. Ausgerechnet mit seinem Spätwerk “Federball” hat mich der britische Autor nun aber überzeugt.

Der in die Jahre gekommene Spion Nat befindet sich am Abstellgleis. Das erinnert stark an Mick Herrons “Slow Horses” und irgendwie auch an Tony Scotts Film “Spy Game”. Am liebsten spielt Nat Badminton. „Badminton ist List, Geduld, Tempo, man wartet in Lauerstellung auf seine Gelegenheit zum Angriff“, erklärt der Ich-Erzähler in John le Carrés neuem Spionageroman. Eines Tages lernt er im Sportverein den jungen Ed kennen, der ihn herausfordert – nicht nur sportlich, sondern auch, was seine Sicht der Welt betrifft. Denn Ed ist ein inbrünstiger Brexit- und Trump-Hasser. Genau wie sein literarischer Erfinder le Carré.

Tatsächlich muss es der 88-jährige Autor als eine Art Verrat empfinden, was in Großbritannien gerade geschieht. Anfang der 1960er-Jahre war er selbst als Spion, getarnt als Diplomat, in Deutschland unterwegs – als „Wanderprediger“ für einen EWG-Beitritt der Briten, wie er selbst sagt. Vor den Trümmern seiner eigenen historischen Verdienste stehend, schreibt le Carré nun über den US-Präsidenten, „der gekommen ist, um die schwer erkämpften Beziehungen zu Europa zu verhöhnen und die Premierministerin zu erniedrigen, die ihn eingeladen hat“. Die politische Elite seines Heimatlandes, ausgebildet auf Kaderschmieden wie Eton, verachtet er. Deren Absolventen sind aus seiner Sicht verkommene, egoistische Emporkömmlinge, denen nur die eigene Karriere wichtig ist.

Nichts ist, wie es scheint

Lässt man diese Emotionen beiseite, konstruiert der Autor sehr gekonnt eine wunderbar altmodische Spionagegeschichte mit allen typischen Zutaten: Nichts ist, wie es scheint. Der Feind ist nicht klar auszumachen und sitzt nicht selten im eigenen Land. Den Glauben an einen moralisch höher stehenden Westen hat le Carré schon lange verloren. Das kann man vor allem in seinen letzten Büchern nachlesen. Trump, Putin, Johnson – für den Autor sind sie alle Halunken. Die Guten gibt es nicht. Sein Interesse gilt ohnehin den kleinen Rädchen im Spionagegetriebe, den offenkundigen Verlierern, die ihr Gewissen bewahrt haben – was wohl auch ein Hauptgrund für ihren beruflichen Abstieg ist.

8 von 10 Punkten

John le Carré: “Federball”, übersetzt von Peter Torberg, Ullstein Verlag, 352 Seiten.

 

Leave a comment

Filed under Rezensionen

Tess Sharpe: River of Violence

(c) dtv

Tess Sharpes Buch “River of Violence” packt einen schon mit dem ersten Satz:

“Ich bin acht, als ich zum ersten Mal erlebe, wie mein Daddy einen Mann umbringt.”

Danach erzählt sie auf 500 Seiten die fesselnde Geschichte von Harley McKenna, die von ihrem Vater gnadenlos gedrillt wird, um einmal sein Drogenimperium zu erben. Doch dieses Mädchen reift zu einer jungen Frau heran, die ganz genau weiß, was sie will. So hat es sich Harley zur Lebensaufgabe gemacht, von Männern geschlagenen Frauen Schutz zu bieten. Sie verfolgt ihre eigenen Ziele, die sie ebenso skrupellos umzusetzen weiß wie ihr Vater.

Der Vergleich zu “Lola”  (das ich im letzten Beitrag besprochen habe) drängt sich natürlich auf. Sowohl Harley als auch Lola sind jung, weiblich und Drogendealerin. Sie stehen auf der anderen Seite des Gesetzes, schrecken vor Mord nicht zurück und sind machtbesessen. Sie handeln unmoralisch und mit Drogen. All dies war in Kriminalromanen bislang Männern vorbehalten.

Bloß ist die Figur der Harley McKenna wesentlich glaubwürdiger als Lola. Ihre unglaublich grausame Kindheit, ihre inneren Kämpfe – das wird spürbar.

8 von 10 Punkten

Tess Sharpe: “River of Violence”, übersetzt von Beate Schäfer, dtv, 512 Seiten.

Leave a comment

Filed under Rezensionen

Melissa Scrivner Love: Lola

(c) Suhrkamp

Melissa Scrivner Loves “Lola” weist die üblichen Zutaten eines Mainstream-Thrillers auf – rasant, ein wenig oberflächlich und klischeemäßig, ein übertriebener Showdown. Eigentlich wenig verwunderlich, denn die Autorin hat sich bereits als Drehbuchautorin für TV-Serien wie “CSI Miami” und “Person of Interest” einen Namen gemacht.

“Lola” ist definitiv ein Versprechen für die Zukunft. Eine junge Drogendealerin als Heldin, das gibt es nicht oft. Überhaupt sind es hier die Frauen, die die Richtung vorgeben, die Männer sind eher Marionetten (oft, ohne es zu wissen).

Seltsam sauberes Ghetto

Bei allem Wohlwollen kann ich aber über gewisse Schwächen – auch handwerklich – nicht hinwegsehen. So steht Lola in mindestens zwei Szenen am Rande des Geschehens und kann dennoch den Dialogen der in Entfernung stehenden Personen problemlos und perfekt folgen. Das ist unrealistisch. Zu oft gibt es auch Formulierungen wie “sie verliebte sich auf Anhieb in diese Frau” – wann immer Lola Sympathie für irgendjemanden hegt.

“Lola” wirkt bei aller Spannung auch ein wenig gekünstelt. Das Ghetto spürt man hier nicht, zu sauber geht es hier zu. Ja, die kaputte Mutter darf nicht fehlen, aber irgendwie stinkt es hier nicht. Hier ist es nicht wirklich grindig. Zumindest ist das nicht spürbar. Es ist ein wenig so, als schreibe ein weißes Mädchen über eine Latina-Gang. Lola, die kalt kalkulierende Gangster-Queen schreckt auch vor Mord nicht zurück. Das ist auch literarisch zu kalkuliert. Wow, eine Frau, die tötet. Das alleine sollte nicht schockieren.

Die größte Schwäche der jungen Autorin ist es aber wohl, dass sie sich immer wieder bemüßigt fühlt, das Handeln ihrer Figur rechtzufertigen. Es wirkt fast so, als müsse man die Handlungen einer Frau, die Dinge tut, die für Männer normal sind, besonders begründen.

Überzeugend ist es allerdings, wie sie ihre Rolle als Frau nutzt. Sie wird lange nur als die hübsche Frau an der Seite des Drogengangsters gesehen. Diese Schwäche des männlichen Geschlechts nutzt sie eiskalt aus.

Fortsetzung folgt

“Capitana”, die Fortsetzung der Schilderung des Überlebenskampfes einer schlauen Frau in einer Machowelt, wird übrigens im Mai 2020 erscheinen. Ich bin gespannt, ob die Autorin noch zulegen kann.

7 von 10 Punkten

Melissa Scrivner Love: “Lola”, übersetzt von Sven Koch und Andrea Stumpf, Suhrkamp, 391 Seiten.

1 Comment

Filed under Rezensionen