Monthly Archives: May 2021

Stephen Mack Jones: Der gekaufte Tod

(c) Tropen Verlag

Ex-Cop August Snow ist der wohl finanziell unabhängigste US-Ermittler des zeitgenössischen Kriminalromans. Da er gegen korrupte Polizisten aussagte, wurden ihm zwölf Millionen Dollar zugesprochen. Nachdem er ein Jahr, auch in Europa, untergetaucht war, ist er nun zurückgekehrt und unterstützt mit seinem Geld großzügig die Bewohner seines Wohnviertels. Und nicht nur das: Er bekehrt einen kleinkriminellen Jugendlichen und engagiert ihn, um den Menschen seines Viertels unter die Arme zu greifen. Snow, der Samariter.

Als ihn eine der einflussreichsten Unternehmerinnen der Stadt zu sich bittet, weil ihr dubiose Vorkommnisse aufgefallen sind, fühlt sich Snow allerdings nicht zuständig. Als die Frau kurz darauf tot aufgefunden wird, glaubt Snow im Gegensatz zur Polizei – die ihm natürlich äußerst feindselig begegnet – nicht an Selbstmord und begibt sich auf Wahrheitssuche. Snow, der Schnüffler.

Snow, Sohn eines afroamerikanischen Polizisten und einer mexikanisch-amerikanischen Malerin, hat das Zeug zum Serienhelden, so viel steht fest. Der von Kritikern gezogene Vergleich mit Raymond Chandler wirkt übertrieben. Dazu liegt der Body Count zu sehr auf “Jack Reacher”-Niveau – also hoch.

Der Autor gibt seiner Hauptfigur Snow viele Facetten: Snow, der Samariter. Snow, der Schnüffler. Snow, der unerbittliche Kämpfer für Gerechtigkeit. Stephen Mack Jones ist ein überzeugendes Debüt gelungen, das Lust auf mehr macht. Im Original sind bereits zwei weitere Bände erschienen, bleibt zu hoffen, dass der Tropen-Verlag dran bleibt.

8 von 10 Punkten

Stephen Mack Jones: “Der gekaufte Tod”, übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann, Tropen Verlag, 359 Seiten.

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S. A. Cosby: Blacktop Wasteland

(c) Ars Vivendi

Noir nennt sich heutzutage schnell etwas. Doch “Blacktop Wasteland” ist wirklich ein überzeugendes Stück Noir. Wenn man will, kann man diesen harten Genreknochen auch als Neo-Noir titulieren. Denn noch selten hat man einen derartig actiongeladenen Noir gelesen. Die Auto-Verfolgungsjagden erinnern frappant an die Action-Filmreihe “Fast and Furious”. Und noch ein uramerikanischer Wert eint Filmserie und Buch: family – Familie ist alles.

Zoomen wir gleich in das Buch. “Wenn du in Amerika schwarz bist, trägst du jeden Tag die Last der niedrigen Erwartung anderer Leute mit dir herum.” So klingt es, wenn Beauregard “Bug” Montage seinen zwölfjährigen Sohn Javon davon überzeugen will, dass Bildung wichtig ist. Der selbst großteils vaterlos aufgewachsene Bug weiß, wovon er spricht. Er saß mehrere Jahre im Jugendgefängnis und versucht verzweifelt, als Automechaniker ein ehrliches Leben zu führen.

Doch das ist einfacher gesagt als getan. Eine neue Konkurrenz-Werkstatt und dadurch ausbleibende Kunden führen zu notorischer Ebbe in der Kasse, das Pflegeheim seiner Mutter wiederum saugt das spärlich hereinkommende Geld wie ein Schwamm auf. Als der wenig vertrauenserweckende Ronnie auftaucht und ihm einen Job als Fluchtwagenfahrer bei einem Überfall auf ein Juweliergeschäft anbietet, hat er, genau genommen, keine Wahl.

Bug ist nicht naiv, er weiß wie der Hase läuft: Unter Dieben gibt es keine Ehre. Und natürlich wird nichts so laufen wie geplant. Doch Bug ist gewappnet – wie aussichtslos die Situation auch gerade sein mag. Und das wird sie des öfteren sein.

Seziermesserscharfe Porträts

S. A. Cosby porträtiert seine Figuren punktgenau. Rasiermesserscharf, nein: seziermesserscharf. Über Ronnies Herkunft schreibt er etwa: “Wenn man in Armut aufwuchs, gewöhnte man sich ans Warten. Warten auf den Sozialhilfescheck in der Posten, warten auf die Almosen der Kirche, Warten, dass die Gemeindemitglieder einen mit ihrer säuerlichen Mitleidsmiene ansahen (…).”

Der Autor erzählt aber auch viel über Söhne und Väter und deren nicht immer einfaches Verhältnis. Bug etwa gerät letztlich in das ganze furchtbare Schlamassel nur, weil er sich von jenem Auto nicht trennen kann, das einst seinem Vater Anthony, der schließlich spurlos verschwand, gehörte. Dabei wusste der von seinem Sohn vergötterte Vater nicht einmal die wichtigsten Dinge aus dem Leben seines Filius. “Alles klar. Wir besorgen dir den größten Erdbeershake, den sie haben”, sagt Anthony einmal. Dabei ist Bugs Lieblingssorte Schoko, wie er enttäuscht flüstert. Als er später in der Geschichte einen Schokoshake haben will, antwortet der Vater: “Klar. Immer wieder was Neues.” Er weiß einfach nichts über seinen Sprößling.

Bug will daher bei seinen Söhnen alles richtig machen. “Ich habe mich sehr angestrengt, ein besserer Vater zu sein. Aber es ist fast so, als hätte ich meine Jungs mit einer Krankheit angesteckt”, muss er resigniert feststellen, nachdem sein zwölfjähriger Sohn Mist gebaut hat – letztlich auch, weil er so handelt, wie er glaubt, dass Bug handeln würde. Welche Krankheit? “Neigung zu gewalttätiger Konfliktlösung.” Eine Erkenntnis bleibt aber am Ende: Auch ein schlechter Vater ist besser als kein Vater.

10 von 10 Punkten

S. A. Cosby: “Blacktop Wasteland”, übersetzt von Jürgen Bürger, Ars Vivendi, 320 Seiten.

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