John Niven: Das Gebot der Rache

(c) Heyne

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Eines vorab: Es hat schon einen Grund, warum John Nivens “Das Gebot der Rache” bei Heyne Hardcore erscheint. Das Buch ist nichts für Zartbesaitete. Was Härte und Brutalität anbelangt, geht es da schon ordentlich zur Sache. Mit seinen schwarzhumorigen Kult-Krimis rund um die Musikindustrie (“Kill Your Friends”, “Music from Big Pink”) hat das nichts zu tun. Ein wenig überrascht mich nach der Lektüre auf alle Fälle der Reigen an Lobeshymnen.

In der NDR-Kritik ist von einem “perfekten Thriller” die Rede und auch auf krimi.couch.de wird das Buch als “Treffer” kategorisiert. Ich bin da ein wenig zwiegespalten. Denn genau so empfinde ich Nivens Buch: als hätte er zwei Bücher geschrieben. Das erste Buch (also ziemlich genau die erste Hälfte) baut gekonnt Spannung auf, spielt mit Erwartungen und lässt mich zappeln. Das 150 Seiten lange Finale liest sich dann eher wie 08/15-Suspense vom Fließband. Ohne das jetzt hier genau zu erörtern – denn damit wäre zweifellos zu viel verraten – aber wenn das Böse einfach immer wieder aufsteht, nervt das auch schon mal und ist der Glaubwürdigkeit nicht gerade zuträglich. Ob der menschliche Körper tatsächlich so viel Blut durch den Körper pumpt, wie hier vergossen wird?

Worum geht es? Donald Miller führt mit seiner Frau Sammy und seinem Sohn in der kanadischen Einöde ein idyllisches Leben. Bis plötzlich der Familienhund grausam zugerichtet gefunden wird. Die Erklärungen, dass ihn möglicherweise ein Tier getötet haben könnte, wirken von Beginn an so, als dienten sie nur zur Beruhigung. Rasch spürt man, dass hier irgendwo das Böse lauert. Es ist eine bedrohliche Stimmung, die sich immer mehr verdichtet. Und Stück für Stück erfährt man schreckliche Dinge aus Donalds Vergangenheit. Doch wie hängen die Geschehnisse der Gegenwart mit den Erinnerungen von damals zusammen?

Für mich hat Niven mit “Das Gebot der Rache” eine große Chance vertan. Dass er nicht nur spannend schreiben kann, sondern den Charakteren auch Tiefe gibt, merkt man. Der psychologische Rahmen der Geschichte ist schlüssig durchdacht und konstruiert. Es geht um ein klassisches Krimi-Thema: Schuld und Sühne. Dieses handelt Niven mitunter einfühlsam und sehr glaubwürdig ab. Umso mehr ärgert der zweite Teil des Buches, der zwar die Spannung virtuos aufrecht erhält und sogar steigert, aber gleichzeitig maßlos über das Ziel hinausschießt.

Das Buch mag tatsächlich ein “perfekter Thriller” sein, einfach weil man es nicht mehr zur Seite legen kann. Definiert man perfekt ein wenig weiter, dann fehlt aber doch einiges zum Thriller-Thron. Meine Bewertung ist daher wenig überraschend:

5 von 10 Punkten

1 Comment

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One response to “John Niven: Das Gebot der Rache

  1. Schade, wenn ein Buch so gut anfängt und dann so nachlässt. Hab ich leider auch schon erlebt.

    LG Michaela

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