Don Winslow: Vergeltung

(c) Suhrkamp

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So jetzt habe ich es wieder einmal geschafft. Ich stehe mit meiner Meinung ziemlich einsam da. Die ganzen namhaften Krimiexperten haben “Vergeltung” regelrecht zerrissen und mit Leidenschaft in seine Einzelteile zerlegt. Tobias Gohlis vergleicht Winslows Roman in seinem Blog mit einem Landserheft, ebenso übrigens wie auch Thomas Wörtche in culturmag. Und Elmar Krekeler schreibt in seiner Kolumne davon, dass sich der momentan beste Thrillerautor mit seiner “Waffenhändlerprosa” selbst k.o. schlägt. Ich schätze die drei Herren ganz besonders, sehe das aber anders. Aber wenigstens gibt es da noch Marcus Müntefering von Spiegel Online und Krimi-Welt, der dem Buch einiges Positives abgewinnen kann.

Gleich vorab: Ich verstehe die Kritik prinzipiell. Denn man kann das Buch als eindimensionales, völlig misslungenes, hurrapatriotisches, gewaltverherrlichendes und zweifelhaftes Hohelied an soldatische Kameradschaft und das Söldnertum lesen. Als brutale Rachegeschichte für Männer. Man kann es aber auch anders lesen, wie ich in meinem “Presse”-Artikel “Hurrapatriotismus vom Krimigott?” darzulegen versucht habe.

Auf die Gefahr hin, als Verharmloser von Gewalt gebrandmarkt zu werden: Ich glaube, man sollte das Buch nicht zu ernst nehmen und mit etwas mehr Gelassenheit betrachten. Winslow wollte sich offenbar wieder einmal neu erfinden und etwas ganz anderes schreiben. Bislang ist er damit gut gefahren und hat Meisterwerke geschaffen, die jegliche Genregrenzen sprengen (“Tage der Toten”, “Zeit des Zorns”, “Kings of Cool”). Nun hat er erstmals seit langem einen Thriller geschrieben, der keine Maßstäbe setzt. Vielleicht wollte er einfach mal ein wenig konventionell sein. Und ja, vielleicht ging es ihm dabei auch um Geld. Na und? Besser einmal danebenhauen, als immer das Gleiche zu schreiben, wie das die meisten Krimiautoren tun.

Es tut mir leid, aber ich kann in Winslow noch immer keinen Blut- und Boden-Romantiker erkennen – und dieser Vorwurf liegt in der Luft. Wobei ich zugeben muss, dass auch ich mich bei einiges Szenen schwer gewundert habe (vor allem bei der Hinrichtungsszene). Wer sein bisheriges Werk heranzieht, kann das nicht ernstlich behaupten. Sollten seine künftigen Bücher nur mehr in diesem Stil vom Stapel laufen, bin ich allerdings gern bereit meine Meinung zu ändern.

Ein Buchtipp in diesem Zusammenhang: Vor vielen Jahren hat mich Kyle Mills mit seinem Buch “Die letzte Mission” schwer überzeugt. Das Thema ist sehr ähnlich angelegt und wird besser abgehandelt – sorry Don!

6 von 10 Punkten

Don Winslow: “Vergeltung”, übersetzt von Conny Lösch, 491 Seiten, Suhrkamp.

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