Monika Geier: Alles so hell da vorn

(c) Ariadne Kriminalroman

Mit Bettina Boll, der Teilzeitpolizistin, hat Autorin Monika Geier eine Figur erschaffen, die auch nach der Lektüre nicht gleich wieder verschwindet. “Alles so hell da vorn” ist ein außergewöhnliches Stück Kriminalliteratur und bereits der siebente Band der Boll-Reihe.

Wie die Kriminalkommissarin ihren Job und die beiden Kinder oft mehr schlecht als recht unter einen Hut bringt, liest sich sehr authentisch. Einmal kommt Boll nach einem anstrengenden Arbeitstag völlig ausgelaugt nach Hause, wo sich ihr das übliche Chaos bietet: “Das Wohnzimmer sah aus wie Sau, die Schulranzen lagen in der Küche auf dem Boden, neben den Jacken.” Die Kinder sitzen natürlich vor dem Fernseher. Als Boll ausrastet und anklagend wissen will, wie es hier aussehe, bekommt sie von ihrer Tochter ein lapidares “So wie immer” und von ihrem Sohn ein hochnäsiges “Ganz normal” zu hören. Das kommt mir sehr bekannt vor. Es ist eine Szene aus dem ganz normalen Leben – gekrönt mit der Forderung des Pubertierenden: “Was gibt’s eigentlich zu essen?”

Monika Geier ist eine großartige, vielschichtige Erzählerin, die mit einem ausgeprägten Gespür für Details viel über unsere Welt zu sagen hat. Sie formuliert pointiert und zeichnet ihre Charaktere sehr feinfühlig.

Man darf sich auch nicht täuschen lassen, die heitere Erzählweise kippt nie ins Gemütliche – dazu ist das Hauptthema der Kinderprostitution zu schwerwiegend: Ausgerechnet in einem Vorstadtbordell wird Bolls ehemaliger Kollege Ackermann von einer jungen Prostituierten erschossen. Als die Täterin kurz darauf in einer Schule eine weitere Bluttat begeht, wird alles immer rätselhafter. Die Polizistin sieht sich mit einem heiklen Fall konfrontiert, der immer mehr Fragen über die Hintergründe aufwirft. Auch das Verschwinden eines kleinen Mädchens vor einem Jahrzehnt scheint dabei eine Rolle zu spielen.

Geiers Blick auf die dunkle, abgründige Seite der Provinz und die ständigen Kompetenz- und Machtverschiebungen innerhalb des Polizeisystems ist sehr klar. Natürlich spielt auch eine Rolle, dass es Boll als Frau im Männerverein der Polizei nicht immer einfach hat. Alphamännchen-Gehabe zwischen Männern beschreibt die Autorin aber auf ihre typisch humorvolle Weise so: “Er sah ihm in die Augen, Zerche blickte hypnotisiert zurück, es war wie Armdrücken, nur ohne Kalorienverbrauch.”

Geier schafft es immer wieder zu überraschen. Ihre Figur Boll hat einiges zu durchleben, Wendungen gibt es bis zum Schluss. Auch ein Ende mit sieben Epilogen findet man selten, wobei mir die letzte Seite einen besonderen Stoß ins Herz versetzt hat. Das ist gehobene Krimikunst.

Ariadne-Herausgeberin Else Laudan schreibt sehr treffend im Vorwort über ihre Autorin: “Monika Geier klagt nicht an, belehrt uns nicht, sie beschränkt sich strikt aufs Erzählen, kunstvoll, spannend und verschmitzt.” Viel mehr kann ein moderner Kriminalroman, ob von Frauen- oder Männerhand verfasst, nicht tun.

10 von 10 Punkten

Monika Geier: “Alles so hell da vorn”, 352 Seiten, Ariadne.

2 Comments

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2 responses to “Monika Geier: Alles so hell da vorn

  1. Giesbert

    Bin ganz Deiner Meinung. Ein tolles Buch. Band 1 und 2 habe ich nun auch durch, kann ich ebenfalls sehr empfehlen. Monika Geier hat definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient!

  2. Von “Müllers Morde” war ich damals auch sehr angetan. Sollte mir vielleicht mal wieder einen Roman von der Geier vornehmen.

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