Bill Clinton/James Patterson: The President is Missing

(c) Droemer

Wer sich mit “The President is Missing” einen spannenden Politthriller erhofft, der wird nicht enttäuscht sein. Tiefere Einblicke in das Leben im Weißen Haus oder die politischen Entscheidungsprozesse darf man sich allerdings nicht erwarten. Das dürfte auch daran liegen, dass jene Passagen, in denen der ehemalige Präsident Bill Clinton in die Tasten klopfen durfte, wohl eher überschaubar sind. Der Hauptteil geht zweifellos auf das Konto von James Patterson und seinem mehrköpfigen Schreibteam – denn normalerweise schreibt der Bestsellergarant schon längst nicht mehr selbst.

Clinton trug vermutlich maßgeblich zu den ersten beiden und dem letzten Kapitel bei. Am Anfang muss sich der fiktive Präsident Duncan einem Sonderausschuss des Repräsentantenhauses stellen, um ein Amtsenthebungsverfahren abzuwenden. Da konnte der Ex-Präsident, gegen den nach seiner Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky 1998 ein entsprechendes Verfahren eingeleitet wurde, auf eigene bittere Erfahrungen zurückgreifen. Der Stachel dürfte immer noch tief sitzen, denn zu Beginn wird das Bild einer moralisch verrotteten Politikerkaste in der Hauptstadt Washington, D.C., gezeichnet: „Die Haie ziehen ihre Kreise, riechen Blut“, heißt es im zweiten Satz des Buches. Die TV-Serie „House of Cards“ lässt grüßen.

Am Schluss des Buches wiederum darf der Präsident eine flammende und patriotische „Schulterschluss-über-alle-Parteigrenzen-hinweg“-Rede halten. Es ist ein kaum getarntes Gegenstatement zur Politik des real amtierenden US-Präsidenten Donald Trump: „Die gegenwärtige Abwärtsspirale hin zu kleinlichen Fehden, voreiliger Polarisierung und wutschäumender Feindseligkeit kann unsere Demokratie auf Dauer nicht überleben.“

Handwerklich gibt es an dem Buch wenig auszusetzen. Patterson hat einen soliden Politthriller mit brisantem Bedrohungsszenario konstruiert: Was passiert, wenn die USA ohne Strom dastehen? „Die Vereinigten Staaten von Amerika werden zum größten Dritte-Welt-Land der Erde“, heißt es. Alle Spannung erzeugenden Zutaten sind angerichtet: Cliffhanger, rasante Action-Szenen, Schusswechsel, überraschende Wendungen (wobei der Verräter in den eigenen Reihen nach dem Agatha-Christie-Prinzip ziemlich früh erraten werden kann), ein kniffliges (allerdings ein wenig unschlüssig geratenes) Passworträtsel und ein nervenaufreibender Countdown. Der fiktive Präsident Duncan, natürlich ein sympathischer Kerl, weist zahlreiche Parallelen zu Clinton auf. Bloß Sex fehlt – auf Hillarys Drängen hin?

Das Buch liest sich zügig, ist aber nach der Lektüre genauso schnell wieder vergessen.

5 von 10 Punkten

Bill Clinton/James Patterson: “The President ist Missing”, übersetzt von Anke Kreutzer und Eberhard Kreutzer, Droemer, 480 Seiten.

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