Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Buchverlage haben ihren Fokus offenbar schon auf das nächste Jahr gelegt. Denn meine sonst übliche Liste beinhaltet – trotz nochmaliger, ungläubiger Suche – diesmal nur ein Buch: John le Carrés “Empfindliche Wahrheit”. Ich habe le Carré erst vor Kurzem bei meiner Besprechung des neuen Frederick-Forsyth-Thrillers “Die Todesliste” erwähnt. Die beiden gelten als Genre-Altmeister, wobei le Carré eindeutig die literarischeren Spannungsromane schreibt.
Hauptfigur ist ein Whistleblower. Das Besondere daran: Le Carrés Buch ist im Original Ende April erschienen, Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden enthüllte die Details der globalen Überwachung erst kurz darauf – am 6. Juni. Das nennt man wohl perfektes Timing. Fast so, als hätte le Carré es vorhergesehen. Die Berliner Zeitung nennt sein Buch daher auch “ein Meisterwerk!”. Die Begründung: “Mit dieser Lust am Erzählen in Verbindung mit einem wahrhaft tagesaktuellen Thema und dem gruseligen Zukunftsszenario privat finanzierter Kriege lässt John le Carré alle derzeitigen Versuche, dem alten Spionagethriller neue, auch nostalgische Seiten – wie in den letzten Romanen seiner englischen Kollegen William Boyd und Ian McEwan – abzugewinnen, weit hinter sich.” Auch Marcus Müntefering hat erst kürzlich in seinem Blog Krimi-Welt über das Buch geschrieben. Er zählt “Empfindliche Wahrheit” zu den Top-Ten-Thrillern des Jahres.
Die Kritik in der Welt hingegen liest sich weniger hymnisch: “Und obwohl sich le Carré viel Mühe gibt, mit der Technik Schritt zu halten, und viel Aufhebens um verschlüsselte Blackberrys, versteckte USB-Sticks und “Burner” genannte Prepaid-Handys macht, geht das zentrale Problem des Whistleblowers à la Snowden und Assange an ihm vorbei: Auf die Idee, dass totale Transparenz und totale Überwachung Symptome ein und derselben gesellschaftlichen Verwirrung sein könnten, kommt er nicht.”
Mir persönlich ist le Carré ja manchmal zu moralisierend. Mir hat hingegen Boyds oben angesprochener James-Bond-Roman “Solo” sehr gut gefallen, eben weil sich der Autor mit Belehrungen und erhobenem Zeigefinger zurückhält. Ich glaube nur, dass ich nach Boyd und Forsyth vorerst wieder einmal genug vom Spionageroman habe.
Auch Spionage, aber historischer Art und mit wahren Hintergründen: Intrige von Mr. Harris sei dir nochmals dringend empfohlen.
Dafür ziehe ich dann endlich mal den le Carré aus dem Regal.
Entschuldige die späte Antwort. Der letzte Harris (“Angst”) hat mich ja nicht so restlos überzeugt, aber wenn es historisch wird, spielt er ja immer seine Stärken aus. “Vaterland” ist wohl einer der Gründe, warum ich letztlich bei der Spannungsliteratur hängengeblieben bin.