Wieder ein blinder Fleck auf meiner persönlichen Krimi-Landkarte weniger: Lawrence Block ist leider im deutschsprachigen Raum in Vergessenheit geraten, obwohl er ein echter Vielschreiber ist. Seine Serie rund um den privaten Ermittler Matthew Scudder ist nur eine von mehreren. “Ruhet in Frieden”, dessen Originaltitel “A Walk Among the Tombstones” es sogar als Untertext auf das aktuelle Buchcover geschafft hat, ist zwar bereits 1992 im Original erschienen und zwei Jahre später auch auf Deutsch. In den vergangenen Jahren ließen die deutschen Verlage aber weitgehend die Finger vom Autor. Das ist mir nach der Lektüre unverständlich. Verständlich ist hingegen, dass Hollywood nun einen Film daraus gemacht hat – mit Haudegen Liam Neeson in der Hauptrolle:
Über die Qualität des Films kann ich leider nichts sagen, aber das Buch ist sehr fesselnd geschrieben. Keinesfalls reißerisch, was das Cover durchaus vermuten lässt. Einen besonderen Reiz hat “Ruhet in Frieden” für mich deshalb gehabt, weil der Autor bereits 1992 von Rufnummern-Erkennung und Hackern (der Film “Hackers” erschien z.b. erst 1995) schreibt – das muss sich damals wirklich exotisch gelesen haben:
“Du läßt (ein weiteres Kuriosum: das Buch wurde nicht an die neue Rechtschreibung angepasst) dir irgend so einen elektronischen Schnickschnack in dein Telefon einbauen, der dir automatisch die Nummer des Anrufers anzeigt, und dann bleibt es dir überlassen, ob du drangehst oder nicht.”
Auf die Frage, ob so ein Gerät schon im Handel erhältlich sei, heißt es: “Zumindest nicht in New York. Diese Geräte sind ziemlich umstritten.” Wirklich witzig sind auch die Szenen um das skurrile Hacker-Duo Jimmy und David, genannt die “Kongs”: Jimmy Hong und David King – auch Hong Kong und King Kong. Ratet mal was deren Lieblingsspiel ist: Richtig, Donkey Kong!
Gleichzeitig ist “Ruhet in Frieden” aber auch ein sehr klassischer, harter Kriminalroman. Block wird bei der Darstellung von Gewalt aber nie voyeuristisch – und seine Hauptfigur Matthew Scudder niemals moralisch oder urteilend. Wer sich jedoch eine blutige Rachegeschichte erwartet – und Klappen- und Rückentext suggerieren das mit Formulierungen wie “ein gnadenloser Feldzug” – sollte ein anderes Buch lesen. Überhaupt hat hier der Heyne-Verlag seinem eigenen Buch nichts Gutes getan. Wer das Buch gelesen hat, wird wissen, dass die Beschreibungstexte schlicht falsch sind.
Block erzählt eine erschütternde Geschichte, in der Frauen entführt werden und zumeist nur tot wieder auftauchen.
“Sobald sie im Lieferwagen sind, sind sie nur noch Körperteile.”
Der Autor wird nie klischeehaft, recherchiert gut, schafft interessante Charaktere und löst Stück für Stück sehr gekonnt ein Rätsel auf. Liebe Heyne-Verantwortliche: Gebt eurem Autor eine Chance und übersetzt neue Scudder-Krimis. Zeit wäre es! Diese billige und lieblose Resteverwertung hat Lawrence Block nicht verdient.
7 von 10 Punkten
Lawrence Block: “Ruhet in Frieden”, übersetzt von Sepp Leeb, 361 Seiten, Heyne Verlag.