
Es war für mich eine der größten Überraschungen des Krimijahres: 27 Jahre nach “Heat” schreibt Regisseur Michael Mann mit Krimiautorin Meg Gardiner eine Fortsetzung seines Klassikers. “Heat” ist für mich nicht irgendein Film, ich würde ihn neben Luc Bessons “Leon, der Profi” und Kathryn Bigelows “Strange Days” zu meinen drei Lieblingsfilmen der 1990er Jahre zählen. Es würde wohl zwei, drei Blogeinträge füllen, zu erklären, warum “Heat” so ein Ausnahmefilm ist, aber eigentlich will ich hier über die kriminalliterarische Fortsetzung schreiben, und warum diese im Großen und Ganzen sehr gelungen ist. Aber es gibt da auch ein paar Dinge, die mir nicht so zugesagt haben.
Michael Manns Film “Heat” aus dem Jahr 1995 genießt unter Filmkennern zu einem wesentlichen Teil wegen seinen beiden Hauptdarstellern Kultstatus. Al Pacino als erbarmungsloser Polizist Vincent Hanna und Robert de Niro als charismatischer Berufsverbrecher Neil McCauley prallten das erste Mal gemeinsam in einem Film (in Coppolas “Der Pate 2” hatten sie keine gemeinsamen Szenen) aufeinander, in einer denkwürdigen Diner-Szene. Unweigerlich hat man auch beim Lesen Al Pacino und Robert de Niro als auch Val Kilmer vor Augen, auf dessen Charakter Chris Shiherlis der Fokus des Buches liegt.
“Heat 2” ist Pre- und Sequel in einem. Dem Autorenduo gelingt es dabei ausgezeichnet, die Figuren wieder aufleben zu lassen. Es ist die große Stärke des Buchs, dass hier fehlende Puzzleteile aus dem Leben Hannas und McCauleys schlüssig eingefügt werden. Deren Handlungsweisen und Besessenheiten werden noch klarer. Der Fokus liegt diesmal aber wie erwähnt auf dem Charakter von Chris Shiherlis. Er war der Einzige aus McCauleys Bande, der am Ende entkommen konnte.
In “Heat 2” findet er in Paraguay Unterschlupf. Er verdingt sich ab sofort für die taiwanesisch-paraguayanische Familie Liu, die eine mächtige kriminelle Organisation aufgebaut haben. Schon bald kann er seine Fähigkeiten unter Beweis stellen und sich eine neue kriminelle Karriere aufbauen. Die USA sind für ihn aber Tabu, würde er heimkehren, würde er sofort verhaftet werden, da er weiterhin steckbrieflich gesucht wird. Das zerreißt ihn innerlich, denn Frau und Kind leben in den USA, Kontakt zu den beiden wichtigsten Menschen ist ihm aber nicht möglich.
Sehr faszinierend sind auch jene Szenen, die im Jahr 1988 spielen und Einblick in das Leben von McCauley und seiner Crew gewähren. Wie die Bande in Mexiko einen Coup plant, bei dem ein Drogenversteck ausgeraubt werden soll, erinnert stark an dem Film. Die professionellen Verbrecher beim Austüfteln, beim Planen und Sich-Wappnen für alle möglichen plan- und unplanbaren Situationen. Natürlich – wie könnte es anders sein – wird nichts glatt gehen.
„Heat 2“ bietet also fast 700 Seiten knallharte Krimikost in der Tradition von Don Winslow. Störend sind aus meiner Sicht allerdings die stereotype Zeichnung der grausamen “bösen” Bösen im Vergleich zu den “guten” Bösen rund um McCauleys Profi-Truppe. Vor allem der Bösewicht Otis Wardell wird als Person ohne Nuancen charakterisiert. Er ist das personifizierte Böse. Er ist einfach nur grausam und sadistisch. Irgendwie hat mich das beim Lesen geärgert. Zudem gibt es einfach ein paar Zufälle zu viel, um die Handlungsstränge von 1988, 1995 und 2000 zu verknüpfen. Das ist einfach zu viel.
Egal. Auf den Film „Heat 2“, der sich angeblich in Planung befindet, kann man sich freuen. Großer Wehmutstropfen: Weder de Niro noch Pacino noch Kilmer werden mitspielen.
8 von 10 Punkten
Michael Mann/Meg Gardiner: “Heat 2”, übersetzt von Wolfgang Thon, HarperCollins Verlag, 687 Seiten.