“Wir sind einsame Tiere. Unser ganzes Leben mühen wir uns, weniger einsam zu sein.”
Diese Worte von John Steinbeck hat Bruce Holbert seinem Noir-Westernroman “Einsame Tiere” vorangestellt. Mit gutem Grund: Das Zitat fasst das, was auf 300 Seiten folgen soll, perfekt zusammen. Denn auch Hauptfigur Russel Strawl ist so ein einsames Tier. Strawl war zwar Sheriff, ist als solcher aber in Ungnade gefallen. Gleichzeitig ist von Beginn an klar, dass Strawl kein Guter ist, denn auch er ist ein skrupelloser Mörder. Und nun soll er einen Serienmörder jagen, der es auf Indianer abgesehen hat. Ein Serienmörder in einem Western? Das klingt an den Haaren herbeigezogen und lässt bei mir (Besucher meiner Seite wissen von meiner hartnäckigen Serienmörder-Krimi-Abneigung) ebendiese normalerweise zu Berge stehen. Doch nicht hier. Denn Bruce Holbert hat ein außergewöhnliches Stück Literatur geschrieben.
Gut und Böse gibt es bei Bruce Holbert nicht, wie das folgende Zitat klarmacht:
“Ich kenne keinen anständigen Mann über fünfzig, der noch nie jemanden umgebracht hat.”
Die Welt in Holberts Roman ist düster und brutal, gleichzeitig aber auch wunderschön. Zweiteres vor allem dann, wenn man die Landschaft hernimmt, ersteres wenn man die darin lebenden Menschen heranzieht. Kaum irgendwo liegen Grauen und Poesie so eng nebeneinander wie in “Einsame Tiere”.
Holberts Roman ist absolut klischeefrei. Zwar ist Strawl der klassische Western-Einzelgänger, doch dieser eigenbrötlerische Unsympathler kann dem Leser nicht ans Herz wachsen. Da ist kein Platz für Romantik oder Heldentum. Da ist nur ein brutaler und gefährlicher Mann. “Hier gibt’s keine Maria, zu der du beten kannst, Marvin”, sagt Strawl einmal. “Nur mich. Und ich bin ein rachsüchtiger Gott.”
Es geht auch viel um Schweigen und Stille: “Hayes sagte eine Stunde lang nichts. Erst wirkte die Stille ungelenk, dann langweilig, dann angenehm”. Welche Wucht entwickeln Sätze wie diese in unserer schnellebigen, hektischen, dauernd plappernden und schnatternden Welt.
Tja, und einer kann das noch viel besser beschreiben als ich: “Holbert dreht und beleuchtet seine Figuren so sehr gegen den Strich und lässt sie denken, empfinden und handeln wie wir es, im Gegensatz zu den eingeschliffenen Narrativen, so noch selten gelesen und gehört haben. Quer, störrisch, verschlossen, kryptisch und manchmal auch veritabel irr”, schreibt Thomas Wörtche bei crimemag. Holbert hat auch bei mir unbekannte Türen aufgestoßen, durch die zu gehen ich nie geglaubt hätte. Wer Western bisher nur belächelt hat, sollte schleunigst dieses Buch lesen und staunen.
Auch der “Kaffeehaussitzer” hat das Buch unter dem Titel “Erst schießen, dann fragen” wunderbar besprochen. Bitte lest das ebenfalls.
9 von 10 Punkten
Bruce Holbert: “Einsame Tiere”, übersetzt von Peter Torberg, 303 Seiten, liebeskind.