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Megan Abbott: Aus der Balance

(c) Pulp Master

Lange ist es her, seit ich hier geschrieben habe. Ich will keine Prognose wagen, wie es mit crimenoir weitergeht, aber wenn ich schon zurückkehre, dann gleich mit einem Buch, das mich so richtig auf Lesereise mitgenommen hat. Also einen Kriminalroman, dem ich 10 von 10 Punkten gebe: Megan Abbotts abgründiger Krimi “Aus der Balance” entführt in die Welt des Balletts, auf die dunkle Seite von Rosa, wenn man so will. Eindringlich schreibt sie von geschundenen Körpern und Seelen.

Seit Abbotts viel gepriesener Kriminalroman “Das Ende der Unschuld” vor einem Jahrzehnt erschienen ist, ist es um die US-Autorin still geworden. Zumindest im deutschsprachigen Raum. Daran ändert nun ausgerechnet der Kleinstverlag Pulp Master etwas, dessen Bücher bislang immer für eine klassische Männerwelt standen, wie Thekla Dannenberg im Nachwort schreibt: “abgründig, dunkel und voller Härte”.

Pulp Master vollzieht seinen Wandel nun noch dazu mit dem Ballettroman. Aber Vorsicht! Man sollte sich von der schönen zartrosa Welt von Tüll und Tutu nicht täuschen lassen. “Das Ballett war reich an düsteren Märchen, und wie eine Tänzerin ihre Spitzenschuhe vorbereitete, war ein Ritual, so mysteriös und intim wie Selbstbefriedigung”, heißt es an einer Stelle. Ohne Ehrgeiz und Ellbogen gibt es im Ballett jedenfalls keine Erfolge.

Abbotts abgründige Geschichte über die Schwestern Dara und Marie, die seit dem Tod ihrer Mutter eine Ballettschule betreiben, legt zudem gekonnt offen, wozu die vielen nicht gesagten Dinge in Beziehungen führen können. Als plötzlich ein Mann in Maries Leben tritt, gerät das Beziehungsdreieck zwischen den Schwestern und Daras Ehemann, Charlie, ins Wanken. Charlie war einst von Daras und Maries Mutter aufgenommen worden und hatte jahrelang wie ein Geschwisterteil im Haus gelebt, ehe aus ihm und Dara ein Paar wurde. Das Unheil, man spürt es von Seite zu Seite, nimmt seinen Lauf.

Es wäre nicht verwunderlich, würde sich der eine oder andere Großverlag nach der Lektüre fragen, warum er dieses Buch nicht in sein Programm genommen hat.

10 von 10 Punkten

Megan Abbott: “Aus der Balance”, übersetzt von Karen Gerwig und Angelika Mülle, Pulp-Master-Verlag, 416 Seiten.

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