Selten hat mir ein Text über Kriminalliteratur so aus der Seele gesprochen wie der von Zoë Beck in der Süddeutschen Zeitung – erschienen am 16. November 2017 unter dem Titel “Mord kennt kein Happy End”. Sie erklärt darin, warum sie Detektivromane mit raffiniert ausgetüftelten Plots und extravaganten Tötungsmethoden ganz und gar nicht interessieren.
Beck geht es nicht um das Wie, sondern das Warum – das seien zwei sehr unterschiedliche Kategorien des Kriminalromans. Sie kritisiert den “Unwillen, sich mit Mord als etwas auseinanderzusetzen, das unsere gesellschaftliche Verabredung, Konflikte gewaltfrei zu lösen, nachhaltig stört und gegen unsere Definition von Menschlichkeit und Moral verstößt”.
Krimis, in denen am Ende immer die Gerechtigkeit siegt, seien Märchen. “Beruhigende und sich rückversichernde Variationen eines altbekannten Themas, immer mal wieder aktualisiert durch Maden- und Larvenforschung, durch Anthropologie und schließlich allermodernste Forensik à la CSI.” Beck behauptet sogar, “dass die seit einigen Jahren so beliebten Zerstückelungs- und Schlachtorgien ebenfalls nur eine Variante sind, eine, die sich etwas weiter von der bekannten Methode entfernt hat, sogar noch ene Emotionalisierung durch mitleiderregende Opfer vornimmt, aber bei der das Thema doch geblieben ist.”
Ja, ja, ja. Genau so sehe ich das auch. Vor allem diese Schlachtplatten und rätselhaften Serienmorde, die dann irgendwelche durchgeknallten Superbösen begangen haben. Wenn ich mir die Neuerscheinungen der nächsten Monaten ansehe, bleibt der Boom in diese Richtung aber ungebrochen. Ich persönlich kann es nicht mehr lesen. Diese vielen Baukasten-Krimis, ich will nicht mehr. Ich will überrascht werden – aber nicht durch möglichst viele Tabubrüche. Sondern durch originelle Zugänge und lebensechte Charaktere (darunter verstehe ich nicht nur alkoholkranke Ermittler – sondern vor allem Figuren wie Monika Geiers Bettina Boll oder Chastity Riley von Simone Buchholz, wunderbar!). Was bedeutet Gewalt und wie wirkt sie nach ihrem Ausbruch weiter? Was geschieht mit betroffenen Familien und Freunden?
“Der Mord ist ein Trauma, das kein noch so genialer Ermittler mit seiner triumphalen Spurenanalyse wegmeistern kann”, schreibt Beck. Die Tat kann nicht mehr ungeschehen gemacht werden. Whydunnit statt Whodunnit also – klingt gut!