Iain Levison: Gedankenjäger

(c) Deuticke

(c) Deuticke

Bereits 2012 hat Iain Levison mit “Hoffnung ist Gift” einen außergewöhnlichen Kriminalroman geschrieben, den ich damals allerdings nicht gelesen habe. Als nun “Gedankenjäger” erschienen ist, war mir rasch klar, dass ich diesmal zuschlagen muss. Denn auch das neue Buch hat Ingredienzien, die im stinknormalen Kriminalroman nicht vorkommen: Als der Polizist Jared Snowe entdeckt, dass er Gedanken lesen kann, verändert sich sein Leben schlagartig.

Levison hat das Szenario fein durchdacht. Schon bald wird Snowe klar, dass seine neuen Fähigkeiten nicht nur ein Segen, sondern auch ein Fluch sind. Auch dem verurteilten und in der Todeszelle sitzenden Mörder Brooks Denny eröffnen sich mit seinen plötzlich auftretenden Fähigkeiten neue Möglichkeiten. Und dann gibt es da noch die mysteriöse Geheimdienst-Mitarbeiterin Terry, deren Gedanken nicht lesbar sind.

Levison unterhält perfekt und entpuppt sich als glaubwürdiger und gleichzeitig humorvoller Erzähler einer spannenden, gut durchdachten Geschichte. Denn was hier auf den ersten Blick vielleicht ein wenig übersinnlich klingen mag, löst sich durchaus realistisch auf. Levison versteht es, auf die reale Entwicklung der USA in Richtung alleswissender Überwachungsstaat noch eins draufzusetzen. Wozu wären die Behörden erst fähig, könnten sie auch noch Gedankenleser einsetzen?

Aber es sind gerade die kleinen, alltäglichen Momente, die Levison schildert, die beeindrucken. Cool, denkt sich Snowe etwa: Endlich bekomme ich wieder mal eine Frau ins Bett! Dass das dann gar nicht so einfach ist, liest sich genial-komisch. Und auch die Vorstellung, mit jemandem Sex zu haben, dessen banale Gedanken man nicht ausblenden kann, scheint nur im ersten Moment erstrebenswert.

Levison versteht es außerdem, mit prägnanten (Gedanken-)Dialogen zwischen Snowe und Denny perfekt zu unterhalten. Die beiden geben ein äußerst ungewöhnliches Paar ab, dass erst durch das Schicksal zusammengeschweißt wird. Das ist manchmal Slapstick pur und ernsthaft zugleich. Hier hat man es also mit einem Autor zu tun, der sein Handwerk versteht. Gleichzeitig liefert er eine gesellschafts- und zeitkritische Geschichte ab, die auch nach dem Lesen noch nachhallt. Und auch als klassischer Polizei- bzw. Detektivroman ausgezeichnet funktioniert, was vielleicht sogar die erstaunlichste Leistung ist.

Lieber Iain Levison, Hut ab vor so viel Kreativität. “Gedankenjäger” ist eines der großen Krimi-Highlights des Jahres 2016.

9 von 10 Punkten

Iain Levison: “Gedankenjäger”, übersetzt von Walter Goidinger, 301 Seiten, Deuticke.

1 Comment

Filed under Rezensionen

One response to “Iain Levison: Gedankenjäger

  1. Puh, ob ich den noch irgendwo einschieben kann? Klingt ja großartig.

Leave a Reply

Fill in your details below or click an icon to log in:

WordPress.com Logo

You are commenting using your WordPress.com account. Log Out /  Change )

Facebook photo

You are commenting using your Facebook account. Log Out /  Change )

Connecting to %s