Benjamin Whitmer: Nach mir die Nacht

(c) Polar Verlag

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Benjamin Whitmers Country Noir “Nach mir die Nacht” erzählt vor allem zwei Vater-Sohn-Geschichten. Aber nicht nur. Er erzählt auch von zwei aus der Bahn geworfenen Existenzen, von denen zumindest eine versucht, die Kurve wieder zu kriegen. Hauptfigur Patterson Wells, der einen Sohn verloren hat, und der gescheiterte Junior, der unter seinem Vater leidet, sollten sich von einander fernhalten. Sie tun sich nicht gut. Immer wenn sie zusammen unterwegs sind, kommt es zu Drogenexzessen oder blutigen Auseinandersetzungen oder sonstigen gefährlichen Ereignissen. Eigentlich hassen sie sich, dennoch werden sie vom jeweils anderen fast magnetisch angezogen.

Was Patterson und Junior tun, kann man bestenfalls als idiotisch bezeichnen. Sie haben ihre Leben nicht im Griff. Dennoch gelingt es Whitmer, den beiden auch liebenswerte Seite abzugewinnen. Sie scheinen genau um ihre Außenseiter-Stellung in der Gesellschaft zu wissen. Auch wissen sie, dass sie den Menschen, die sie lieben, nicht gut tun. Weil sie eben immer wieder Scheiße bauen, immer wieder das Falsche machen. Dennoch lassen sie billige Ausreden für ihr Handeln nicht gelten.

“Harte Kindheiten sind keine Mysterien, sondern Grundelemente des Lebens. Die Alltagshölle, die so gut wie jeder erlebt hat. Schlimm genug, wenn es dir so ergangen ist, aber noch erbärmlicher, wenn du dich später davon kaputt machen lässt, wenn du’s längst hinter dir hast.”

Darüber hinaus erzählt Whitmer immer wieder von einem verfallenden Amerika, einem von innen heraus verrottenden Land: “Im Landesinneren reiht sich ein Trümmerhaufen an den nächsten, so weit das Auge reicht. Zwischen Orkanschäden und dem Zerfall, den man im mittleren Westen heutzutage in jeder beliebigen Stadt vorfindet, besteht kein wesentlicher Unterschied mehr.” Es ist kein schönes Amerika, das er da beschreibt.

Der Polar-Verlag hat mit Whitmer wieder einmal eine neue, interessante Stimme entdeckt. Bleibt zu hoffen, dass von diesem Autor noch mehr nachkommt.

7 von 10 Punkten

Benjamin Whitmer: “Nach mir die Nacht”, übersetzt von Len Wanner, 274 Seiten, Polar Verlag.

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