Müsste ich Jax Millers Debütroman “Freedom’s Child” in einem Wort zusammenfassen, würde ich folgendes sagen: Unausgegoren. Teilweise habe ich mich gefragt, ob hier überhaupt ein Lektor drübergelesen hat. Da gibt es einerseits echt feine Passagen – mich persönlich hat etwa der Ausflug der (Anti-)Heldin Freedom Oliver ins Indianergebiet am stärksten beeindruckt. Doch da gibt es andererseits auch viele Unstimmigkeiten.
Zum Inhalt: Freedom Oliver befindet sich im Zeugenschutzprogramm, nachdem sie vor vielen Jahren ihren Mann, noch dazu einen Polizisten, erschossen hat und ihren Schwager ans Messer geliefert hat. Nun wird dieser, Matthew Delaney, aus dem Gefängnis entlassen. Und er und seine Familie haben nur ein Ziel: Freedom Oliver zu töten. Freedom wiederum bricht ihr bisheriges Leben ab, um sich auf die Suche nach ihren beiden mittlerweile erwachsenen Kindern zu machen, die sie in Gefahr befürchtet.
Klingt jetzt nicht ganz neu, aber durchaus vielversprechend. Das erste, was nervt sind die Kapitelanfänge, die meist mit dem Satz “Mein Name ist Freedom” beginnen. Wirklich Sinn macht das nicht. Dann werden die rachsüchtigen Delaneys als die superbösen, vollkommen abstoßenden Primitivlinge beschrieben – das war mir eindeutig zu viel des Guten bzw. in diesem Fall Bösen. Gleichzeitig bricht dieser Delaney-Strang dann aber irgendwann komplett weg und es geht plötzlich nur mehr um eine böse Sekte. Schwarz-weiß ist leider irgendwie Millers Ding. Der einzige Charakter, der nicht eindimensional bleibt, ist der der alkoholsüchtigen Freedom.
Auffällig ist auch die rüde Sprache. Ich habe kein Problem mit Kraftausdrücken, auch am laufenden Band. Aber hier werde ich das Gefühl nicht los, Miller will damit bloß provozieren, Aufmerksamkeit schaffen. Durch die etwas abstruse Handlung gelingt ihr das nicht, also versucht sie es auf anderen Wegen. Bloß wirkt das aufgesetzt, nicht wirklich authentisch.
Ein wenig Licht bringt für mich Marcus Müntefering in die Sache. Er erklärt in seiner wohlwollenden Kritik bei Spiegel Online, wie Miller zum Schreiben kam: “Wie ihre Heldin hat auch Jax Miller ihr Leben lange nicht in den Griff bekommen: die Highschool abgebrochen, Alkohol, Drogen, Obdachlosigkeit. Und wie Freedom brauchte auch Miller einen entscheidenden Anstoß, um einen Neustart zu schaffen. In ihrem Fall war es ein Psychologe, der sie zum Schreiben überredete. Er erkannte und förderte Millers enormes Gespür für Sprache, für bittere Ironie und One-Liner, die pointensicher ins Ziel treffen.”
Schreiben als Therapie also. Naja, ich finde man merkt das leider zwischen den Zeilen. Aber eben nicht so, dass es sich glaubwürdig zusammenfügt. Für mich wirkt es wie ein Stückwerk. In Ansätzen gut, teilweise sehr gut – aber als Gesamtwerkt nur Mittelmaß. Und leider auch ärgerlich, weil handwerklich schwach. Nun kann man sagen, das ist nur ein Debütroman, das muss sich noch einschleifen, hier ist ein großes Talent am Werk. Bloß: Ich kann es nicht erkennen.
Ich empfinde es eigentlich genau so, wie es Sonja auf zeilenkino beschreibt: “Immer mehr Wendungen und neue Schichten sorgen zwar für Kurzweil, aber sie können kaum davon ablenken, dass sich die Traumatisierung der Protagonistin beständig im gleichen rotzigen Verhalten und Sprüchen widerspiegelt. Außerdem sind es letztlich zu viele Haken und Plots, zu ausführliche Charakterisierungen und zu gewolltes Provozieren. Zumal alles zu einem durch und durch konservativen Ende führt, an dem so viel zu gut ausgeht, dass es schmerzt.”
4 von 10 Punkten
Jax Miller: “Freedom’s Child”, übersetzt von Jan Schönherr, 363 Seiten, Rowohlt Polaris.
Vielen Dank für den kritschen Post. Tobias Gohlis äußert sich ebenfalls stellenweise wenig begeistert, z.B. über Freedom als Lisbeth-Salander-Klon: http://www.recoil.togohlis.de/jax-miller-freedoms-child/#more-424
Danke! Ja Gohlis formuliert das schön beißend, vor allem das mit diesem Geklone…
Kann de was du sagst nur uneingeschränkt zustimmen, habe mich lange nicht mehr so über ein Buch geärgert.
Ja, leider war der Ärger beim Lesen das vorherrschende Gefühl. Schade, ich hatte mir einiges erhofft.