Vorab will ich gleich auf das feine William-McIlvanney-Interview von Marcus Müntefering auf Krimi-Welt verweisen. Das sollte wirklich jeder lesen, der mehr über diesen außergewöhnlichen schottischen Autor wissen will. Er habe nur aus Versehen die Krimilandschaft revolutioniert, gibt er darin etwa zu. Er wollte 1977 mit “Laidlaw” eigentlich gar keinen Kriminalroman schreiben. Dennoch hat er Autoren wie Ian Rankin – der selbst sagt, er wäre ohne McIlvanney wohl kein Krimiautor geworden – inspiriert: “Da war dieser literarische Schriftsteller, der sich dem urbanen, zeitgenössischen Krimi zugewandt hatte und zeigte, dass das Genre große moralische und soziale Fragen angehen konnte.”
Wer das bereits oben erwähnte “Laidlaw” oder nun eben “Die Suche nach Tony Veitch” liest, kann Rankins Aussage nur unterschreiben. McIlvanney schreibt wunderbare Literatur – Krimi hin oder her. Gerade das vorliegende Buch ist auch ein mitreißendes Plädoyer für die Anständigkeit, einen gern vergessenen Wert in der Gesellschaft. McIlvanney macht Unsichtbare – Obdachlose oder alte, einsame Frauen – sichtbar. Die Kernaussage: Niemandes Tod ist irrelevant. Und Polizist Jack Laidlaw ist vehementer Botschafter dieser vier Worte. Er stößt damit oft auf wenig Gegenliebe bei seinen Kollegen, die scheinbar klare und unwichtige Fälle gern mal zu den Akten legen. Zudem hinterfragt er ständig alles: Er will nicht nur wissen, wer der Mörder war, sondern auch wissen, was die Intentionen seiner Vorgesetzen sind. Warum soll er ermitteln oder nicht ermitteln?
Mir persönlich war dieser philosophierende Inspektor Jack Laidlaw aber bei “Die Suche nach Tony Veitch” ein wenig zu viel. Im Gegensatz zu “Laidlaw” haben mich die philosophischen Betrachtungen zwischendurch auch ein wenig gelangweilt. Immer wieder habe ich mich beim Lesen dabei ertappt, dass ich abdrifte. Das ist allerdings Jammern auf sehr hohem Niveau. Denn wer sich für Krimis interessiert, sollte unbedingt bei McIlvanney vorbeischauen. Das ist wirklich große Kunst – und immer wieder packt er dann ja doch irgendwelche Dialoge oder Szenen aus, die lange haften bleiben.
Zur Orientierung: “Die Suche nach Tony Veitch” ist der zweite Teil der Trilogie um den Glasgower Inspektor Jack Laidlaw. Die drei Krimis sind im Original zwischen 1977 und 1991 erschienen und werden nun Band für Band neu übersetzt. Conny Lösch ist es dabei – wie schon beim Auftakt “Laidlaw” perfekt gelungen, McIlvanneys Stimmung zu transportieren.
8 von 10 Punkten
William McIlvanney: “Die Suche nach Tony Veitch”, übersetzt von Conny Lösch, 317 Seiten, Verlag Antje Kunstmann.
Freut mich, dass du das Interview mochtest. Ist aber auch ein feiner Mensch, dieser William McIlvanney – und natürlich ein überragender Autor.